: LehrerInneneinsatz: Von Ergänzungen und neuen Zahlen
■ Wie bekomme ich das Gutachten, das in den Kram paßt? Kienbaum-Untersuchung in zwei Versionen
Für Aufregung an den Schulen hat das Gutachten der Firma Kienbaum über die Effizienz des LehrerInneneinsatzes im Lande Bremen gesorgt. Die Lektüre des unabgestimmten Grobentwurfes vom 5. Dezember 1997 und des Berichtsentwurfes vom 25. Januar 1998, die beide der taz vorliegen, zeigt, wie die Behörde das Gutachten nach ihren Vorstellungen umschreiben ließ. Da tauchen im späteren Bericht ganz neue Zahlen auf. Und an vielen Stellen werden nun ausgerechnet die Maßnahmen als notwendig aufgezeigt, die im Hause Kahrs ohnehin vorbereitet werden.
Die Bildungsbehörde rechtfertigt mit den Ergebnissen der Düsseldorfer Unternehmensberater eine geplante Umorganisation des LehrerInneneinsatzes: Künftig soll die Pflichstundentafel mit oberster Priorität abgedeckt, die Freistellungen der PädagogInnen für innovative Schulprojekte oder andere Aufgaben eingeschränkt werden.
KritikerInnen wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sehen darin einen weiteren Versuch der Bildungsbehörde, den LehrerInnen mangelhaften Arbeitseinsatz und die Schuld für die Misere an Bremens Schulen vorzuwerfen. BildungspolitikerInnen der CDU und der Grünen betrachten das Gutachten als Kritik an der Behörde.
Obwohl das endgültige Papier erst im März vorliegen soll, veröffentlichte Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) kürzlich bereits einige kommentierte und interpretierte Auszüge. Die Materie ist sensibel. Wegen der umfangreichen „Abstimmungen“zwischen GutachterInnen und Behörde verzögerte sich der Zeitplan.
Das reine Gutachten und das abgestimmte Papier unterscheiden sich in wichtigen Punkten, beispielsweise in dem Potential an Lehrerstunden, das noch für den Unterricht auszuschöpfen wäre: Wenn der außerschulische Einsatz von Lehrkräften zurückgefahren werde, so Kienbaum zunächst, sei in der Stadtgemeinde Bremen ein Zuwachs von 8.000 Wochenstunden im Schuljahr 2000/2001 erreichbar. In der abgestimmten Version ist nur noch von 5.196 Stunden die Rede. Eine Erklärung für die Differenz findet sich nicht, dafür eine Ergänzung: „Je weniger Stundengewinne für Unterricht aus der Aufgabenkritik gewonnen werden, desto härtere Maßnahmen (werden) in Bereichen notwendig, die Schulqualität direkt tangieren.“
Bemerkenswert ist, daß Kienbaum einen Bedarf an neuen Lehrkräften festgestellt hat: Selbst bei einer „harten Umsteuerung“bleibe eine Deckungslücke von 3.000 Lehrwochenstunden bis zum Jahr 2001 und 9.500 Stunden bis 2003. Weil in Abstimmung mit den BildungsbeamtInnen aber ein geringerer Stundengewinn vorhergesagt worden ist, zeigt das zweite Gutachten einen noch größeren Bedarf auf (10.500 Stunden 2001, 15.500 Stunden 2003). Diese Lücke, heißt es im zweiten Text, müsse „mit anderen Maßnahmen geschlosssen werden“.
An dieser Stelle sind in der neuen Version mehrere Absätze unter der Überschrift „Weitere potentielle Steuerungsparameter“eingefügt, in denen Handlungsmöglichkeiten für die Behörde beschrieben werden, die aber offensichtlich erst nach Gesprächen mit den BeamtInnen ins Gutachten gelangt sind.
Darin werden unter anderem Eingriffe in die Unterichtsorganisation empfohlen, die den GutachterInnen allein offenbar nicht eingefallen waren. „Die Unterichtsorganisation ist im Status quo weitgehend den Schulen überlassen; hier könnten durch enger gefaßte Klassen- und Gruppenbildungsvorgaben und vorgegebene Beschränkungen der Profilbildungen im Angebotsbereich (...) Kapazitäten eingespart werden.“Daß solche Vorschläge einen Paradigmenwechsel im bremischen Schulsystem bedeuten würde, das bislang genau auf die Autonomie der Schulen setzt, wird im Text sogar explizit erwähnt. Weiterhin schlägt Kienbaum erst nach Rücksprache mit der Behörde vor, die „vielfältigen Wahl- und Förderangebote“zu überprüfen. „Ein grundsätzliches Umdenken in den Schulen des Landes Bremen (wird) unverzichtbar sein“, heißt es – aber nur in der Version des Gutachtens, an der die Behörde mitgestrickt hat.
Joachim Fahrun
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