Blues im Büdchen

■ Romuald Karmakars „Frankfurter Kreuz“ ist eine Art Lindenstraße auf Alkohol

Wenn sich auf der Berlinale deutscher Film und große Leinwand begegnen, wird es meistens unappetitlich. Ob beziehungsverkrampfte Mambospieler, frustrierte Drehbuchautoren oder eingecremte SexarbeiterInnen, immer ist irgendwem das Hirn tief in die Hose gerutscht, und nun müssen andere die Sache auslöffeln. Man erkennt die Bemühungen und wundert sich: Soviel Impotenz gibt es sonst nur im asiatischen Kino, aber dort ist das ganze Dilemma wenigstens als Leid am politischen Stillstand gedacht.

Und so treffen sich in Romuald Karmakars „Frankfurter Kreuz“ am Silvesterabend 1999 ein paar verstreute Elendsgestalten aus dem Kiez in einer Trinkhalle, stürzen ein paar Bier mit Schnaps runter und lamentieren über ihre verlorene Liebe oder den Zustand der Bundesrepublik. Harry will sich aufhängen, weil seine Sauffreundin an Magendurchbruch gestorben ist, und Manni denkt an Selbstmord, weil ihn die Arbeitslosigkeit deprimiert. Manchmal kommt ein kleiner Beamter auf einen Schluck rüber und manchmal auch eine Ärztin, die vor der Nachtschicht noch einen Cognac kippt. Trübe Aussichten für das nächste Jahrtausend.

Ursprünglich hatte der früh verstorbene Jörg Fauser die Story als Hörspiel geschrieben. Leider wird auch bei Karmakar kein Film draus. Mit Theaterleuten wie Michael Degen, Manfred Zapatka oder der total souveränen Dagmar Manzel besetzt, entwickelt sich der Jammer in langatmigen, stimmungsmäßig irgendwie bluesartigen Einstellungen. Zum Monolog gibt es Großaufnahmen, beim Streit wandert die Kamera im Büdchen herum; am Ende tanzt Harry dann mit einer Blondine, und der Film schleicht sich still zur Tür hinaus.

Weil Karmakar sich völlig unspektakulär für Elend interessiert, war sein „Totmacher“ großartig lebensnah gewesen. Mit der Tristesse in „Frankfurter Kreuz“ funktioniert die schüchterne Sympathisierung allerdings nicht, die wirren Gefühlswelten seiner Verlierertypen vermischen sich kaum. Es bleibt bei einer Art Lindenstraße auf Alkohol. Harald Fricke

Panorama: heute, 17 Uhr, International