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Kampf gegen eine Todsünde

■ Ein Gesetzentwurf in Rumänien sieht ein totales Abtreibungsverbot vor. Auch der Gebrauch von Verhütungsmitteln soll nicht erlaubt sein

Berlin (taz) – Die Abtreibung „ist eine Todsünde gegen den Heiligen Geist, den Lebensspender“. So begründete der Senator der Christdemokratischen Nationalen Bauernpartei (PNTCD), Iran Moisin, einen Gesetzentwurf, der ein totales Abtreibungsverbot in Rumänien vorsieht. Das kürzlich dem Parlament vorgelegte Projekt sieht außerdem ein Verbot sämtlicher Verhütungsmittel vor.

Der Entwurf ist repressiver als die von Ceaușescu erlassenen Dekrete zur Geburtenregelung. Das Dekret von 1966 verpflichtete jede Frau, vier Kinder zur Welt zu bringen. Eine Abtreibung war nur erlaubt, wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung war oder die Frau ihren Gebärauftrag erledigt hatte. Die Produktion von Kondomen wurde eingeschränkt, illegale Abbrüche mit Gefängnis bestraft. Es war eine Zeit der Engelmacherinnen. Zahllose Frauen verbluteten nach unsachgemäßen Eingriffen, unzählige wanderten in Gefängnisse. 1984 verschärfte der Diktator das Dekret erneut. Nun mußte jede Frau fünf Kinder zur Welt bringen, der Geheimdienst Securitate und die Polizei verfolgten jeden illegalen Abbruch noch strenger. In den Betrieben mußten sich Frauen regelmäßig einer gynäkologischen Untersuchung unterziehen.

In Krankenhäusern überwachten Staatsbeamte die Noteinlieferungen weiblicher Patienten. Erst nach einem Verhör durften Ärzte erste Hilfe leisten. Wie viele Opfer der gynäkologische Terror Ceaușescus gefordert hat, ist nicht bekannt. Die traumatischen Erinnerungen von Millionen scheinen den Senator der stärksten Regierungspartei, Moisin, nicht zu interessieren.

Sein Projekt ist übrigens nicht nur vom Heiligen Geist inspiriert. In einer ausführlichen Begründung nennt er unter anderem als „Berater“ die „Rumänische Christlich-Orthodoxe Studentenvereinigung“ (Ascor). Diese fundamentalistische Organisation gilt als militante Speerspitze der konservativen orthodoxen Kirche. Ascor-Mitglieder kämpften gegen die Liberalisierung der Abtreibungspraxis, Homosexuelle, die ungehinderte Ausbreitung „religiöser Sekten“. Orthodoxe Geistliche unterstützten die militanten Ascor-Leute bei mehreren Demonstrationen gegen Schwule.

Nicht zufällig engagieren sich viele Ascor-Leute auch in rechtsradikalen Gruppierungen. „Die Ascor und die Legion kämpfen für die Durchsetzung der orthodoxen Spiritualität“, erklärt die Theologiestudentin und Ascor-Aktivistin Theodora Rosca, die in Cluj eine Abteilung der landesweit vernetzten rechtsextremen „Legionäre“ anführt. Für sie vergrößert die Doppelmitgliedschaft nur die Chancen auf einen Erfolg, „in der Gesellschaft die gesunde Linie durchzusetzen“. William Totok

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