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■ StandbildKlug geworden

„Beim nächsten Kuß knall ich ihn nieder“, Montag, arte

Wenn Klugheit bedeutet, daß, was man können will, in ein brauchbares Verhältnis dazu zu bringen, was man kann, dann ist Hans-Christoph Blumenberg ein kluger Mann. Klug geworden zumindest. Bis 1984 war er Filmkritiker der Zeit, der beste in Westdeutschland. Doch er wollte Regisseur werden. Der brillante Kritiker wurde ein mittelmäßiger Regisseur. Seine Filme (z.B. „1.000 Augen“) sollten Beweise sein, daß es intelligente deutsche Unterhaltungsfilme geben konnte; doch jedes Bild schien ein Zitat zu sein.

Es hagelte Verrisse. Doch Blumenberg filmte weiter, trotz rapide sinkender Budgets. Das erwies sich als segensreich. „Beim nächsten Kuß...“ ist so ein Low-budget-Film, der nichts mehr beweisen muß. In 33 Szenen illustriert er das Leben von Reinhold Schünzel, deutscher Jude, Regisseur von intelligenten Unterhaltungsfilmen in den 20ern. Schünzel war ein Hasardeur: Noch für die Nazis drehte er Komödien mit subtilen Anti-Nazi- Satiren. 1937 floh er vor der Gestapo nach Hollywood; doch für die USA waren seine Filme zu frivol. Ein bescheidener Film: wenig Geld, wenig Dekor, wenig Schauspieler, aber mit eleganten Dialogen und einem funkelnd-ironischen Peter Fitz als Schünzel – das komische Pendant zu den deutschen Macht-und-Kunst-Dramen.

Nein, das ist nicht der intelligente Unterhaltungsfilm, den Blumenberg etablieren wollte. Dazu ist er zu kühl, zu spartanaisch: eine gedämpft- wehmütige Reflexion, warum es das Frivole in Deutschland so schwer hat – und über von den Nazis zerrissene Traditionen. Der Film eines Kritikers, ein kluger Film. Stefan Reinecke

Am Freitag läuft Schünzels anspielungsreicher Operettenfilm „Land der Liebe“ von 1937 (0.00 Uhr, arte)

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