: Serben einigen sich auf neue Regierung
Fünf Monate nach den Wahlen will Vuk Drasković mit den Sozialisten eine Koalition eingehen. Der Nationalist Šešelj ist ausgebootet. Die neue Führung sichert die volle Umsetzung des Dayton-Abkommens zu ■ Aus Belgrad Andrej Ivanji
Fünf Monate nach den Parlamentswahlen könnte es in Serbien endlich eine neue Regierung geben. Der Präsident Serbiens, Milan Milutinović, ergriff am Montag die Initiative: „Es ist höchste Zeit, daß Serbien eine neue, legitime Regierung bekommt“, sagte er und rief die Vertreter aller parlamentarischen Parteien zu sich. Das Resultat der Beratungen war schon gestern in allen Zeitungen zu lesen: „Die Sozialisten (SPS) und die Serbische Erneuerungsbewegung (SPO) stehen vor einem Kompromiß!“ „Serbien wird bald eine neue Regierung haben!“
Bislang amtiert die alte, von Slobodan Milošević eingesetzte Regierung. Die Serbische Erneuerungsbewegung (SPO), Präsident Vuk Drasković und die Radikale Partei Serbiens (SRS), angeführt von Vojislav Šešelj, haben zwar gemeinsam die Mehrheit im Parlament, konnten sich jedoch bisher nicht auf eine neue Regierung einigen.
Wie diese neue Regierung aussehen soll, weiß allerdings noch niemand. „Alle Parteien sind bereit, die Regierung der Volkseinheit zu unterstützen“, meinte sichtlich zufrieden die Generalsekretärin der SPS, Gorica Gajević. Man habe sich auf ein für alle annehmbares Programm der zukünftigen Regierung geeinigt, das die volle Unterstützung des Abkommens von Dayton, die schnelle Reintegration Jugoslawiens in europäische Organisationen und den wirtschaftlichen Aufschwung vorsieht. Festgeschrieben worden sei auch, daß Kosovo unter allen Umständen ein Bestandteil Serbiens bleibe.
Wie genau die neue Regierung mit diesem Problem umgehen will, davon war allerdings immer noch nicht die Rede. Der Chef der Radikalen Partei Serbiens (SRS), Vojislav Šešelj, erklärte mürrisch, seine Radikalen würden eine solche Regierung nicht unterstützen, da sie die stärkste Partei im Parlament sei und daher den Ministerpräsidenten stellen müsse.
Da genau dies die anderen nicht akzeptieren wollten, würden die Radikalen der Regierung ihre Zustimmung verweigern. Die von Slobodan Milošević dirigierte „Linke Koalition“ braucht jedoch nur die Unterstützung von Vuk Drasković. Und Drasković gibt sich zufrieden. Nach der Wahlschlappe seiner Partei SPO im vergangenen September kann er nun sogar die Bedingungen diktieren.
Und der sozialistische Präsident Milan Milutinović gab mit dem allergrößten Vergnügen seinen Forderungen nach. Während der Niedergang der serbischen Wirtschaft andauert, das herrschende Establishment im Kampf um die Selbsterhaltung den Staat zerfleischt und großzügig alles, was noch zu Geld zu machen ist, verkauft, beharrt Drasković darauf, daß das Wappen und die Hymne Serbiens verändert werden, daß sich Serbien von allen kommunistischen Symbolen befreit und die kommunistischen durch serbisch-orthodoxe Feiertage ersetzt werden. Als Zeichen des guten Willens schenkte Milutinović beim Gespräch über die neue Regierung Drasković ein Buch über alte serbische Wappen. Die folgende Diskussion dauerte mehrere Stunden.
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