Analyse: Kein MAI im April
■ Opposition gegen das Multilaterale Investitionsabkommen wird mächtiger
Spät, aber machtvoll regt sich die Opposition gegen das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI). Die 29 Industrieländer, die in der OECD organisiert sind, arbeiten bereits seit zweieinhalb Jahren hinter verschlossenen Türen an diesem Abkommen, das multinationalen Konzernen den maximalen Zugang zu fremden Märkten sichern soll. Bis gestern tagten die Staatssekretäre der OECD-Mitglieder in Paris, um das MAI unterschriftsreif zu bekommen. Doch inzwischen ist sehr fraglich geworden, ob das Abkommen tatsächlich wie vorgesehen Ende April unterzeichnet werden kann.
Die Gegner des MAI konzentrieren sich auf einige Kernpunkte des Abkommens. So können ausländische Investoren Regierungen bei direkter oder indirekter Enteignung auf Schadenersatz verklagen. Um indirekte Enteignung kann es sich schon handeln, wenn ein Konzern seine Profitmöglichkeiten eingeschränkt sieht – zum Beispiel, wenn eine Regierung nachträglich Umweltauflagen verhängt und so bestehende Produktionsanlagen entwertet.
Solche Fälle wie auch die Befürchtung, daß vor allem Entwicklungsländer ihre Umwelt- und Sozialstandards senken könnten, um finanzkräftige ausländische Investoren anzuziehen, haben inzwischen eine breite Opposition von Gewerkschaftern und Umweltschützern, von Kirchen und Verbraucherschützern auf den Plan gerufen. 565 Organisationen weltweit haben eine Erklärung gegen das MAI unterschrieben; bislang 14.000 Unterschriften dagegen sind beim US- Außenministerium eingegangen. Mit einem gewissen Erfolg.
Längst geht es um mehr als die französischen Bedenken, daß das MAI die kulturelle Hegemonie der US-Unterhaltungsindustrie festschreiben würde. Auch in den USA, ursprünglich einer der Motoren des MAI, ist die Begeisterung deutlich gesunken. So deutlich, daß die Regierung bekanntgab, das Abkommen so jedenfalls nicht zu unterzeichnen.
Denn die US-Regierung steht unter Druck der MAI-Gegner – auch seitens der Rechten, die mit nationalen Interessen argumentiert. Daher macht sich die Regierung nicht nur für unzählige Ausnahmen für die USA stark, sondern auch für Umwelt- und Sozialstandards, wenn auch in unverbindlicher Form. Die EU verlangt sogar eine bindende Regelung, daß Umweltstandards nicht nachträglich gesenkt werden dürfen. Angesichts solcher Einschränkungen beginnt die Unternehmerlobby, das Interesse am MAI zu verlieren. Schließlich bieten schon Hunderte bilaterale Abkommen den Investoren Schutz. Wenn aber Clinton nicht mal mehr die business community hinter sich hat – warum sollte er sich dann noch gegen die massive Opposition weltweit und daheim für ein uneingeschränktes MAI einsetzen? Nicola Liebert
Der Vertragsentwurf steht im Internet unter www.oecd.org
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