Gelöbnis vollzogen, Protest gebannt

■ 400 Rekruten feierten öfffentliches Gelöbnis auf Fußballplatz in Grasberg

Auf dem frischgemähten Fußballfeld von Grasberg, wo sonst der TSG Wörpedorf spielt, roch es nach Dung. Als die 400 Rekruten gestern mittag anhoben, um den entscheidenden Satz zu sprechen, wurde es still bei den rund 1.000 Zuschauern. Im Hintergrund hörte man die Trillerpfeifen der Gegendemonstranten, ein verstreuter „Mörder“-Ruf wehte über den Rasen. "Ich gelobe“, echoten die Wehrpflichtigen, „der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“. Die Kapelle spielte die Hymne. Kurz vorher hatte Kommandeur Martin Lemke den Rekruten einen „erlebnisreichen Wehrdienst“gewünscht und sie aufgefordert, rechtsextreme Vorfälle zu melden. Dann war alles so gut wie vorbei – das erste öffentliche Gelöbnis der Bundeswehr, das die Gemeinde Grasberg gesehen hatte.

Den ganzen Morgen über war das 7.000 Seelen-Dorf nahe Worpswede in Unruhe. Noch bevor die Rekruten in ihren Bussen aus den Kasernen Neuenkirchen, Altenwalde, Fischbeck und Schwanenwede ankamen, hatten sich die rund 40 Gegendemonstranten vor der Findorffschule versammelt. Gemeinsam waren die meist jugendlichen Protestler, die sonst zur örtlichen Anti-Atomkraft-Bewegung zählen, vor die Kirche gezogen. Um 13 Uhr hob die Orgelmusik an, die Rekruten sangen „Halleluja“, der Militärseelsorger segnete Zivi- und Wehrdienstleistende.

Viele Grasberger, vor allem die älteren, freuen sich über die Uniformträger in ihrem Ort, sie sind „stolz“, wie auch Oberbürgermeister Heinrich Blanke merfach wiederholte. Hermann Menert findet „ein öffentliches Gelöbnis gut – in Notfällen sind die Jungs schließlich für uns da“. Und auch die Frau neben ihm empfand die autonom aussehenden Jugendlichen, die ohnehin „nur von unseren Steuergeldern leben“heute als das störendere Element im Stadtbild.

Viel anhören mußten sich die Protestler dann vor dem Eingang zum Fußballfeld. Es kam zu Rempeleien, als ein Mann mit Transparent die Kette der Feldjäger durchbrechen wollte, die das Fußballfeld vor ungebetenen Gästen schützten. „Euch sollte man vergasen“, habe ein älterer Herr zu ihm gesagt, berichtete Frank Weiberg, Organisator der Demo. Nach Intervention der Polizei habe der Mann sich immerhin entschuldigt.

„Ihr solltet auswandern. Ab hinern Mond mit euch. Ihr solltet euch was schämen“, wird auch beim Vorbeigehen in Richtung von Reinhard Last gezischt. Auf dem Plakat des Soziologen, der erst seit drei Jahren in Grasberg wohnt, steht: „Öffentliche Gelöbnisse sind keine ,feierlichen Angelegenheiten', sondern durchsichtige Ablenkungsmanöver, Provokation“. Er wisse von vielen, die sich heute nicht getraut haben, gegen das Gelöbnis die Stimme zu erheben – aus Angst vor Ausschreitungen, aber auch vor sozialen Sanktionen der Dorfgemeinschaft. Eine Kindergärtnerin habe vom stellvertretenden Gemeindedirektor ein Disziplinarverfahren für den Fall angedroht bekommen, daß sie nach Dienstende zu den Protesten gehe. Im Kindergarten verteilten Soldaten zu Weihnachten Geschenke an die lieben Kleinen. In der Gemeinde, die seit jetzt 25 Jahren mit der Kaserne in Schwanenwede eine Patenschaft verbindet und die zu über 60 Prozent CDU wählt, findet man an solchen Dingen nichts Anstößiges. Christoph Dowe