piwik no script img

Die Berliner CDU rückt von Diepgen ab

Auf dem Parteitag der Berliner CDU wurde der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen mit nur 62 Prozent als Vorsitzender bestätigt. In Zukunft muß er mit einem konservativeren Vorstand arbeiten  ■ Aus Berlin Barbara Junge

Samstag nachmittag, 13.47 Uhr, ein eleganter Saal im ersten Stock des Maritim-Hotels an der Berliner Friedrichstraße. Monika Diepgen, der Frau des Berliner Regierenden Bürgermeisters, entgleisen kurzzeitig die Gesichtszüge.

Eberhard Diepgen ringt oben auf dem Podium um seinen bekannten neutral-freundlichen Gesichtsausdruck. Die Züge des Fraktionsvorsitzenden der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus Landowsky, erstarren – 231 Stimmen für den Landesvorsitzenden, 138 Gegenstimmen.

Mit nur 62,6 Prozent ist der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen als Landesvorsitzender der Hauptstadt-CDU wiedergewählt. Das schlechte Ergebnis – 73 Prozent hatte er noch bei der letzten Wahl vor zwei Jahren – übertrifft die schlimmsten Befürchtungen der parteibeherrschenden Unionsriege. Die CDU ist in Berlin nach diesem Wochenende nicht mehr die alte.

Der Parteitag der Berliner Christdemokraten vibrierte von Anbeginn vor Kampfeslust. Die Truppen waren geordnet, die letzten Verhandlungen bis zu den entscheidenden Wahlen von Landesvorsitz und Landesvorstand geführt. Wo sonst Eberhard Diepgen – seit zwölf Jahren fast ununterbrochen Regierungschef, seit 14 Jahren Parteivorsitzender – zumindest mit der Aufmerksamkeit seiner Christdemokraten rechnen konnte, rauschte unruhiges Gemurmel durch den Saal. Vorbei die Zeiten, in denen während der Rede des personifizierten Machtzentrums der Berliner CDU, Klaus Landowsky, die Parteitagsdelegierten mucksmäuschenstill auf ihren Plätzen verharrten.

An diesem Samstag wollte niemand diskutieren, die Argumente waren längst ausgetauscht, die Ambitionen bekanntgegeben. An diesem Samstag ging es um Abstimmungsergebnisse, um die Macht in der Partei.

Die parteiinternen Diepgen- Gegner, die dem Regierenden Bürgermeister einer Großen Koalition Führungsschwäche und zu liberale Positionen vorwerfen, hatten im Vorfeld einen Machtkampf angekündigt. Zwar bleibt Diepgen Landesvorsitzender der Berliner CDU, aber er wird fortan ein Landesvorsitzender von Gnaden seiner Gegner sein. „Union 2000“, das Sammelbecken der zumeist konservativen Führungskritiker, hatte keinen Gegenkandidaten zu Diepgen aufgestellt. „Wir wollen Eberhard Dipegen nicht stürzen“, versprach einer seiner Widersacher, der Berliner Bundestagsabgeordnete Diethard Schütze, noch während der Versammlung. Doch Schütze ließ auch wissen: „Reinickendorf und Tempelhof haben Diepgen geschlossen unterstützt.“ Die Kreisverbände von Reinickendorf und Tempelhof gelten als Hochburgen von „Union 2000“. Schützes Botschaft war nur allzu deutlich: Wir haben Diepgen fortan in der Hand.

Die neue Macht der Widersacher bekam die Unionsführung bei den anschließenden Wahlen zum Landesvorstand auch zu spüren. Der vorgeschlagene Generalsekretär wurde mit 79,9 Prozent gewählt – der Diepgen-Vertraute Volker Liepelt gilt auch als rechter Flügelmann, ist somit im Sinne der „Union 2000“. Bei Wahl der Stellvertreter und der Beisitzer im Landesvorstand kam es dann doch zu Kampfkandidaturen – für die Berliner CDU ein ungewöhnlicher Vorgang. Der ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz und der Berliner Innensenator Jörg Schönbohm, der selbst Ambitionen auf Diegens Chefsessel hat, wurden mit ausdrücklicher Unterstützung von „Union 2000“ abgenickt. Dazu brachte „Union 2000“ noch drei weitere Stellvertreter neben Diepgen in Stellung.

Nur zwei liberale Stellvertreter weiß der Regierende Bürgermeister künftig an seiner Seite. Diepgen, der in seiner Rede die Parteifreunde bearbeitet hatte, den Weg der „liberalen, weltoffenen Großstadtpartei“ nicht zu verlassen, nahm die Kampfansage an: „Ich nehme sie als Herausforderung für den Kampf gegen den politischen Gegner, aber auch für eine richtige innerparteiliche Klärung.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen