Singender Eischnee

■ Boygroup für Große: Maybebop begeisterte das Publikum im Schlachthof - be sure

Vor Entzückung rasende Menschen, Zugaberufe ohne Unterlaß und stehende Ovationen, wohin das erstaunte Auge in der ausverkauften Kesselhalle auch blickte: Größere Euphorie würden auch die ergrauten Pilzköpfe Ringo, Paul, George und John (schnüff...) nicht hervorrufen, kämen die verbliebenen Drei auf die Idee, ein Revivalkonzert im Schlachthof zu veranstalten. Und was einst von Liverpool aus funktionierte – die Hysterisierung der Welt – sollte heutzutage mit Ausgangspunkt Hannover nicht unmöglich sein. Dachte sich wohl auch die Plattenfirma des Quartetts Maybebop und promotet daher ihre niedersächsische A-Cappella-Band mit dem Slogan: Seit den Beatles weiß man, daß vier Leute ausreichen, um Musikgeschichte zu schreiben. Seit Maybebop, daß sie nicht einmal Instrumente brauchen. Warum bescheiden sein, wenn man eh ein natürliches Talent zum Witzischsein hat. Tätää.

Zwei Pferdeschwänze, ein Struwelpeter und eine Glatze – vier smarte junge Männer standen da im Scheinwerferlicht der Kesselhalle und konnten machen, was sie wollten – das Publikum fand schlichtweg alles wahahahansinnig gut. Schon kurz nach Beginn des zweistündigen Konzerts witzelte der Tenor Nils Ole Koch zur kollektiven Erheiterung: „Wir singen jetzt mit Ständer“, und dieses humoristische Grasnarbenniveau wurde bis zum Ende an keiner Stelle mehr überschritten. Selbst als die Baßstimme von Markus Jaursch völlig witzfrei nur einen harmlosen Aufruf des Schlachthofs vorlas, in dem ein Name für eine neuzugründende A-Cappella-Reihe im Kulturzentrum gesucht wurde, bogen die Leute ihre Leiber vor Lachen, bis die Nasen an die Fersen stießen. Ganz offensichtlich das Boygroup-Syndrom, das da seine Wirkung auch bei der bereits vom Leben gezeichneten Generationen tat.

Schon nestelten zwei ältere Damen an ihren Wonderbras, selbst der Rezensent – was blieb einem übrig in diesem Hexenkessel – versuchte sich seines Slips zu entledigen, um ihn entzückt ins Gesicht des niedlichen Baritons Oliver Gies zu schleudern. Aber als Cem Süzer, neuer Countertenor von Maybebop, im emotionalen Überschwang seiner anwesenden Mama für die Kirsch-Sahne-Torte dankte, die sie am Nachmittag dem Quartett serviert hatte, war jegliche knisternde Erotik dahin. Hose also wieder hoch, Blusen wieder zuknöpfen: Sexsymbole, die ihrer Mutti fürs Gebäck danken, sind zwar totahahal süß, aber alles andere als sexy.

Ach Gott, was sind wir heute wieder nickelig. Denn im Grunde sangen die Herren durchaus gut, stellenweise sogar sehr gut. Wenn es auch auf Dauer so war, als würde man Eischnee beim Singen beobachten: Schön anzusehen, aber vor allem geschmacksneutral.

Die Sicherheit in der Phrasierung war beeindruckend, stimmgewaltig nennt man das, was zu hören war, wohl auch, und die Auswahl der Stücke – von „Holy Queen“über „Birdland“bis „On Broadway“– zeugte davon, daß die vier wußten, welche Ohrwürmer man auswählt, so daß niemand die Instrumente vermißt. Und bei „Bohemian Rhapsody“von Freddy Mercury waren wir sogar wieder kurz davor, ganz doll crazy mit Unterwäsche um uns zu werfen. Wäre da nicht der Käse mit der Torte dazwischen gekommen. zott