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Von den Vorzügen gestrickter Pfannenschoner Von Michael Rudolf

Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem es in bestimmten Kreisen des Diskurstourismus als nicht mehr zeitgemäß empfunden wurde, über Bratkartoffeln und die dazu passenden Pfannen zu diskutieren. So schnellebig ist unsere Zeit. Nur die Super-Illu hatte das nicht begriffen und druckte einen Diskussionsbeitrag in ihrem Ratgeberteil (7/98) ab, den wir schon aus rein gnostischen Gründen nicht wiedergeben dürfen. Zeit war es aber auch, sich endlich einmal zurückzulehnen und nüchtern Bilanz zu ziehen. Was brockt man sich alles ein, wenn man dieses heikle Thema anschneidet, welche Tabus werden gebrochen, welche Strukturen aufgebrochen und überhaupt.

Etwas hatten Herr „Piri-Piri“ Sander und ich trotz aller Kontroversen bemerkt: Wir waren uns im Lauf der Debatte beim harten Diskutieren ohne alle Scheuklappen und Vorurteile ein gutes Stück (weit) näher gekommen. Wer kann das heutzutage nach einem öffentlich ausgetragenen Streit noch behaupten? Ja, man ginge nicht fehl zu behaupten, daß es die drohende Eskalation der Diskussion (siehe taz vom 7.1. 1998) war, die ratzbatz die Vernunft auf den Plan rief.

Herr Sander, also der Bert, lud mich herzlich zum Braten ein. Mit gemischten Gefühlen nahm ich die Einladung an, das dürfen Sie mir glauben. Doch der Abend war überstrahlt von der Wärme gegenseitiger Achtung. Bert war ein Fels der Gastfreundlich- und Liebenswürdigkeit. Ich hatte meine Bio- Eisenpfanne mitgebracht und zeigte sie stolz vor. Dann brieten wir um die Wette, seine Familie kam gar nicht mit dem Kartoffelschälen nach, und es mußten eilends noch mehrere Passanten von der Straße hinzugeholt werden. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen, ob nun aus rohen oder gekochten Kartoffeln. Weinend vor Freude lagen wir uns in den Armen. Anschließend blätterten wir kichernd in seiner Bratkartoffel- Pressemappe, die er mit „schrägen“ Kommentaren versehen hatte. Dabei kam wie zufällig zur Sprache, daß er Bratkartoffeln solo bevorzuge. Ohne nix. Also keine Sülze, kein Rühr-, kein Spiegelei, keine Bratwurst dazu. Bravo. Was für ein Mann!

Ich hörte ganz nebenbei das erste Mal in meinem Leben Randy Newman, Bert schloß Bekanntschaft mit den nicht weniger uninteressanten Yeastie Girls. Wir mochten uns. Die Eindrücke des aus heutiger Sicht immer lächerlicher anmutenden Streits haben wir noch lange im persönlichen Gespräch vertieft. Wir plauderten von den Vorzügen gestrickter Pfannenschoner, kritisierten die Weltübel schonungslos in ihrer ganzen Bandbreite, sprachen von unbekleideten Damen und naschten tonnenweise Piri-Piri. – Es wurde so manches Pils getrunken, und es ist dann noch ziemlich spät geworden bzw. ziemlich früh.

In aller Hergottsfrühe ging ich sogar so weit, meinen irgendwann mal zu erwartenden Erstgeborenen Piri-Piri taufen zu wollen. Taufen, jawohl! Wer lacht da?! Zwei Telefonate genügten, und der Meisterzeichner Eugen Egner malte dieses Idyll auf Zuruf und in Farbe, und Gerhard Henschel wollte in Windeseile einen glänzenden Kurzroman darüber schreiben, er müsse vorher nur fix noch mal aufs Klo. Beides, Gemälde und Roman, soll ja schon morgen erscheinen. Was will man mehr.

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