■ Die „reflexive Koedukation“ ist kein bildungspolitischer Rückfall
: Kleiner Mann, was tun!

Der Aufschrei klingt uns schon in den Ohren, wenn die „reflexive Koedukation“ auf die Schlagzeile „Zurück zur Mädchenschule“ reduziert wird: Niemals – werden die einen deklamieren. Endlich – die anderen seufzen. Und das Gute ist, daß beide danebenliegen.

Reflexive Koedukation, hinter diesem begrifflichen Ungetüm, verbirgt sich nämlich gerade nicht das Rollback in das durchgehend getrennte Unterrichten von Mädchen und Jungen. Es heißt nicht mehr, als den gemeinsamen Unterricht der Geschlechter zu modifizieren. Niemand braucht sich also Sorgen zu machen, daß der prüde und die Rollenverhältnisse zementierende Schulalltag von Jungengymnasien und Mädchenrealschulen von Anno dazumal wieder Einzug hält. (Nicht einmal die enttäuschten Sechstkläßlerinnen, die sich, wie es heißt, beim Berliner Schulversuch heftig dagegen gewehrt haben, von den kleinen James Deans getrennt zu werden.)

Was Nordrhein-Westfalen, Berlin und auch Schleswig-Holstein praktizieren, was an Spree, Rhein und Waterkant von der Modellebene in den Regelunterricht überführt wurde, fußt auf einer schlichten Erkenntnis: Weder die nach Geschlechtern streng separierte Bildung noch die konsequent gemischte Paukerei sind der Weisheit letzter Schluß. Es ist gut, die kleinen Machos ab und zu von den Mädchen zu trennen. Dann nämlich darf auch das vermeintliche schwache Geschlecht beim Computerunterricht mal an die Tastatur. Die kleinen Schlauberger, das zeigt die Erfahrung, boxen sich nämlich gerne ins Internet durch. Weil die Buben gestählt sind im täglichen Kampf um den PC, ziehen die Mädchen regelmäßig den kürzeren. Obwohl sie doch genauso neugierig auf die virtuelle Cyberworld sind – kleiner Mann muß sie bloß mal ungestört an den Bildschirm lassen.

Die reflexive Koedukation geht aber noch einen Schritt weiter. Sie will die Geschlechterrollen selbst, die Mädels und Jungs ansonsten unbewußt, aber täglich trainieren, zum Thema machen. Da sollen die jungen Burschen merken, daß ihr Ehrgeiz, zu allem was wissen und sagen zu wollen, nicht selten die Mädchen beiseite drückt. Das nach Geschlechtern getrennte Nachdenken, wie die halbwüchsigen Halbstarken Konflikte lösen, hat übrigens manchem Heranwachsenden gezeigt, daß es eine Art des Kommunizierens jenseits der Rambomasche gibt. Jedenfalls gibt es ein paar hübsche Beispiele, daß sich auch Viertkläßler ganz normal verhalten können, wenn sie, mangels anwesender Nachwuchsschönheiten, mal nicht balzen müssen. Christian Füller