Megagewerkschaft in Gründung

Die Spitzen von sechs Arbeitnehmerorganisationen verabredeten Zeitplan für gemeinsame Dienstleistungsgewerkschaft. Nach dem Jahr 2000 soll es soweit sein  ■ Von Günter Frech

Hamburg/Stuttgart (taz) – Dann waren es nur noch sechs: Ursprünglich wollten sieben Gewerkschaften eine Supergewerkschaft mit mehr als vier Millionen Mitgliedern gründen. Aber die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands (GdED) stieg gestern aus dem Bündnis aus. Als reine Branchengewerkschaft befürchtet sie in einer Megagewerkschaft ihren Identitätsverlust, sagte GdED-Sprecher Hubert Kummer. Zwei Tage tagten in Stuttgart die Vorstände von sechs Gewerkschaften des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und der nicht zum DGB gehörenden Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG), um sich über die „gewerkschaftliche Neustruktuierung im Dienstleistungsbereich, in der dienstleistungsnahen Industrie sowie im Medien-, Kultur- und Bildungsbereich“ zu verständigen, wie es in einer „gemeinsamen politischen Plattform“ heißt.

Ein Zeitplan sieht vor, daß DAG, ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr), DPG, (Postgewerkschaft), HBV (Handel, Banken, Versicherungen), GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) und IG Medien im Laufe des Jahres 1999 über die Neustrukturierung konkret entscheiden und bis zum Jahr 2001 eine mit dem Arbeitstitel „Dienstleistungsgewerkschaft“ bezeichnete Organisation schaffen.

Die ehrenamtlichen Gremien der beteiligten Gewerkschaften sollen in den nächsten Wochen diese „Plattform“ diskutieren. Die neue Gewerkschaft hätte rund 3,8 Millionen Mitglieder und würde die mit 2,7 Millionen Mitgliedern starke IG Metall als „weltgrößte Einzelgewerkschaft“ verdrängen.

DAG-Vorsitzender Roland Issen – er gilt als Motor der gewerkschaftlichen Reorganisation – sagte, im Gelingen der neuen Gewerkschaft entscheide sich die „Schicksalsfrage, ob die Gewerkschaften in der Lage sein werden, im Dienstleistungsbereich deutlich mehr Mitglieder zu organisieren“.

Nach Angaben der Einzelgewerkschaften würde die Bildung der Großorganisation letztlich die Auflösung der bisherigen Arbeitnehmervertretungen bedeuten. Nach Issens Worten soll es aber „keine aufnehmende und aufgehende Gewerkschaften geben“.

Issen sagte, es sei eine Schicksalsfrage für die Gewerkschaften, den Organisationsgrad im Dienstleistungsbereich von derzeit etwa 20 Prozent zu steigern. ÖTV-Chef Herbert Mai zeigte sich erfreut über den geplanten Zeitrahmen.

In der vereinbarten „Politischen Plattform“ heißt es, die Gewerkschaften könnten den Wandel in der Arbeitswelt nur mitgestalten, „wenn wir Schluß machen mit unfruchtbarer gewerkschaftlicher Konkurrenz“.