■ Dreißig Jahre gelesen, zwanzig Jahre gehört: Doppeljubiläum für drei Detektive: Colatrinken mit Peter Shaw in Eimsbüttel
Dies ist der beste Platz, um sich zu outen: Ich gestehe, daß ich über zehn Jahre lang mit drei Jungen ins Bett gegangen bin. Jede Nacht, bis kurz nach der Pubertät. Aber ich schäme mich nicht. Ich teile diese Vergangenheit mit vielen, in deren Kinderzimmern sich die drei noch lange herumtrieben, nachdem Mutti gute Nacht gesagt hatte. Ohne sie konnten wir einfach nicht mehr einschlafen – manchmal auch nicht mit ihnen, besonders wenn der „seltsame Wecker“ oder der „tanzende Teufel“ geschrien hat.
Lange vor Nena und Alphaville steckten sie im quietschenden Universum-Kassettenrecorder: Die Hörspielfassungen der Jugendbuchserie „The Three Investigators“, ab 1964 im New Yorker Verlag Random House erschienen. 1968 wurden die Abenteuer der drei Detektive ins Deutsche übersetzt: Seit zwanzig Jahren übernehmen Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews jeden Fall. Und seit 1978 sind „Die drei ???“ die wahren Helden des deutschen Hörspiels. Wer wäre nicht gern ehrenamtlicher Mitarbeiter und Juniorassistent der Polizeidirektion von Rocky Beach geworden? Wie sehr sehnte man sich dabeizusein, wenn Alfred Hitchcock in der Zentrale auf dem Schrottplatz von Titus Jonas anruft, um danach sagen zu können: „Kollegen, wir haben einen neuen Fall.“
Mit Morton wären wir im Rolls Royce zum Tatort gefahren, nachdem Tante Mathilda sich wieder beruhigt hat, und hätten den Karpatenhund im Swimmingpool, die gefährliche Erbschaft im Macbeth- Zimmer und das Aztekenschwert im Reiterstandbild gefunden. Leider bin ich über Hamburg nicht hinausgekommen, habe aber immerhin mit Peter eine Cola getrunken und über die drei ??? geplaudert. Eigentlich heißt Peter ja Jens Wawrczek und sieht auch gar nicht aus wie Peter. Im Gegensatz zum sportlichen zweiten Detektiv mißt Jens Wawrczek gerade mal einen Meter siebzig. Der 34jährige Schauspieler trägt einen Dreitagebart und Kontaktlinsen, und er wohnt auch nicht in Kalifornien, sondern abwechselnd in London und Hamburg-Eimsbüttel. Zu Peter wird er nur viermal im Jahr, ansonsten arbeitet er als Schauspieler und Synchronregisseur im Studio Hamburg. Darüber hinaus ist Jens nicht ängstlich – immerhin traute er sich mit 14 Jahren, zum Hörspiel-Casting zu gehen, ohne seinen Eltern davon zu erzählen.
Allerdings klingt Jens nun einmal wie Peter, und es ist nicht so einfach, ihn beim richtigen Namen zu nennen. Auf seine Bedeutung angesprochen, gibt Peter sich sehr zurückhaltend. Er verstehe den ganzen Rummel gar nicht, der um „Die drei ??? “gemacht wird, sagt er. Allerdings habe ihn einmal das Kind einer Schweizer Familie während einer Safari in Afrika an seiner Stimme erkannt und deshalb alle Elefanten, Löwen und Gazellen ignoriert – da sei ihm doch bewußt geworden, daß „Die drei ???“ mehr als eine x-beliebige Serie sind.
Immerhin haben „Die drei ???“ einer ganzen Generation beigebracht, was „errare humanum est“ heißt, oder, daß bei Babys die Augenfarbe von blau auf braun wechseln kann und nie umgekehrt. Darüber hinaus führten sie vor, wie Teamwork funktioniert – eine Arbeitsweise, die den Sprechern der Hörspiele zu Beginn der Aufnahmen noch fremd war. „Am Anfang war das zwischen uns dreien noch gar nicht so harmonisch“, erzählt Jens. „Für mich waren Andreas und Oliver – also Justus und Bob – immer die wahnsinnig selbstbewußte ,Berlin-Mafia‘, und ich der schüchterne Hamburger. Erst letztes Jahr sind wir nach den Aufnahmen das erste Mal zusammen essen gewesen.“
Zu hören war das nie. Im Gegensatz zu TKKG, der unsympathischen Kombination von Judo- Proll, Vielfraß, Klugscheißer und echter Gabi, denen man nie wirklich begegnen wollte, sind Justus, Bob und Peter glaubhafte Charaktere mit ganz normalen Macken. Schließlich hat Justus nicht immer verschroben geredet, Bob nicht nur recherchiert und Peter war manchmal sogar ganz schön mutig. Immerhin hat er dafür gesorgt, daß „Die drei ???“ die 17. Folge überlebten und nicht mit dem Hausboot vom alten Dingo die Staumauer runterkrachten, nachdem ihr Erzfeind Skinny Norris die Vertäuung gelöst hat. Und obwohl Justus das „Pummelchen vom Kinderfernsehen“ war, so fett wie Klößchen hat ihn sich keiner vorgestellt.
Einen wirklichen Schock hielt erst die 55. Folge breit. Neue Anfangsmelodie. Peter fährt Käfer, Bob surft durchs Internet und Justus macht Diät wegen seiner neuen Freundin. Dabei hatten doch Frauen nie eine Rolle gespielt. Im Gegenteil: „Es lag sowas wie eine Homo-Erotik in der Luft. Für einander hätten ,Die drei ???' ihre Freundinnen fallengelassen“, offenbart Jens. Privat ist Justus, also Oliver, allerdings längst verheiratet und hat zwei Kinder. „Man hat versucht, zeitgemäß zu sein. Wir sind älter geworden und die ??? sollten es wohl auch.“ Die Fans waren enttäuscht. Erst ab Folge 73 ging es wieder aufwärts. Auf der inoffiziellen Homepage freute sich ein Fan: „Der Typ, der die neusten Abenteuer schreibt, hat es wieder voll drauf!“ Und ein „Die drei ???“-Hörer rief gar bei Jens Wawrczek an, um sich mit ihm zu treffen und ihm seinen Liebeskummer anzuvertrauen.
Auch die Hamburger Band „Fettes Brot“ haben die drei Sprecher kennenlernen dürfen: Im Gegenzug übernahmen die Musiker in der kommenden Folge „Im Bann des Boodoo“ kleinere Rollen und schreiben einen Rap; „Die drei ???“ wiederum wollen auf der nächsten CD von „Fettes Brot“ debütieren. Auch nach 20 Jahren übernehmen sie wirklich jeden Fall... Michael Quell
Wahrheit-Leser, aufgemerkt: Wir verlosen zehn Kassetten der neuen „Die drei ???“-Folge, die im März bei „Europa“ erscheint. Aber das ist noch nicht alles – Jens „Peter“ Wawrczek wird nämlich netterweise unserem Hauptgewinner eine Kassette für den Anrufbeantworter besprechen. Für diesen schönen Preis sind diese Fragen korrekt zu beantworten:
1. Wie heißt der Bruder von Patrick?
2. Was ist eine Telefonlawine und wer hatte die Idee?
3. Was ist ein Haschimiden-Fürst und wer hatte ihn?
Die Lösungen bitte wie üblich an die taz-Wahrheit, Kochstraße 18. 10969 Berlin. Einsendeschluß ist der 6. März 1998.
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