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Wenn Arbeitslose ihren Lohn mitbringen

Lohnkostenzuschüsse, Beschäftigungshilfen, Überbrückungsgeld: Immer mehr Erwerbslose können bei Unternehmen auf Subventionen vom Arbeitsamt verweisen. Die Betriebe picken sich „Rosinen“ heraus  ■ Aus Berlin Barbara Dribbusch

Der Bewerbungsbrief der 48jährigen Sekretärin an das Unternehmen schließt mit folgenden Worten: „Da ich länger als ein Jahr arbeitslos bin, können Sie bei meiner Einstellung im ersten Jahr bis zur Hälfte der Lohnkosten sparen. Diesen Anteil übernimmt das Arbeitsamt.“ Neben den guten Zeugnissen ist das ein schlagendes Argument: Der Brief der 48jährigen landet nicht auf dem Haufen der Absagen, wie sonst bei älteren Bewerberinnen üblich. Die Frau wird zum Vorstellungsgespräch eingeladen.

So könnte es laufen. Tut es aber nicht. Wer schreibt schon einen solchen Bewerbungsbrief? „Bei Lohnkostenzuschüssen denken viele Arbeitgeber doch: Das ist eine, die kaum noch krauchen kann“, sagt Matthias Gutsche, zuständiger Experte bei der Bundesanstalt für Arbeit. Laut Gesetz können zwar immer mehr Erwerbslose eine Lohnsubvention vom Arbeitsamt „mitbringen“. Aber nur jene Programme laufen gut, bei denen der bürokratische Aufwand gering ist und sich die Unternehmen die „besten“ Arbeitslosen herauspicken können.

Gewerbliche Unternehmen im Osten und neuerdings auch in Westberlin bekommen unter bestimmten Bedingungen ein Jahr lang bis zu 2.160 Mark im Monat für jeden Arbeitslosen, den sie einstellen. Mit diesen Lohnkostenzuschüssen für gewerbliche Unternehmen förderten die Ost-Arbeitsämter innerhalb von neun Monaten 64.000 Leute. „Das Programm läuft unglaublich gut“, berichtet Gutsche. Kein Wunder: Die Geförderten müssen nicht lange arbeitslos sein, es genügt, daß sie von „Arbeitslosigkeit bedroht“ sind, schlechte Jobchancen haben und kein anderer wegen ihnen im Betrieb entlassen wird.

Mit den „Beschäftigungshilfen“ für Langzeitarbeitslose hingegen starteten 1997 bundesweit nur 47.400 Geförderte in einen neuen Job. Die Subventionierten müssen hier mindestens ein Jahr ohne Arbeit sein und bringen dann im ersten Jahr mindestens die Hälfte der Lohnkosten mit. Die Mittel für dieses Programm wurden 1997 nicht mal ausgeschöpft und jetzt für dieses Jahr auf 750 Millionen aufgestockt. Angesichts der verschiedenenen Zuschußprogramme entwickle sich da auch eine „Konkurrenz“ unter den Subventionierten, so Gutsche: „Das Hauptproblem sind eben die fehlenden Stellen.“

Die Palette der Lohnsubventionen ist immer breiter geworden: Die Arbeitsämter gewähren Eingliederungszuschüsse für Berufsrückkehrerinnen, Überbrückungsgelder für Existenzgründer und Lohnsubventionen bei Firmengründungen. Jobsuchende, für die ein solcher Zuschuß in Frage kommt, könnten „mit dem Hinweis darauf durchaus bei einem künftigen Arbeitgeber operieren“, formuliert Ruth Schmidt, Expertin für Eingliederungszuschüsse beim Landesarbeitsamt Berlin-Brandenburg. Das interessierte Unternehmen muß jedoch vor der Neueinstellung einen entsprechenden Antrag beim Arbeitsamt einreichen. Ein Recht auf die Subventionen gibt es nicht.

„Mitnahmeeffekte sollen ja nicht entstehen“, erklärt Olaf Jachmann, Jobvermittler beim Arbeitsamt Nord in Berlin. Als neulich ein gut qualifizierter 24jähriger vorsprach, der nach längerer Arbeitslosigkeit einen hochsubventionierten Job antreten wollte, lehnte Jachmann ab. „Das ist nicht ausgewogen.“

„Die Genehmigungspraxis ist noch zu bürokratisch“, meint der Berliner Politologieprofessor Peter Grottian, „die Arbeitslosen müßten ihren Lohn zu Anfang quasi im Geldsack direkt auf den Tisch legen können.“ In kommunalen Förderprogrammen für Sozialhilfeempfänger ist man fast schon so weit gegangen. Zum Beispiel bei der Berliner BBJ-Servis GmbH: Junge Langzeitarbeitslose im Alter von 18 bis 27 Jahren können sich in Berlin selbst in Klein- und Mittelunternehmen einen Job suchen, der dann im ersten Jahr zu 100 Prozent und danach geringer öffentlich finanziert wird.

In Schallplattenläden, Second- hand-Geschäften und bei türkischen Gemüsehändlern hätten die Teilnehmer solcherart eine Arbeit gefunden, erzählt Projektleiterin Susanne Kretschmer. Mehr als 1.000 Arbeitsverträge wurden in einem Jahr geschlossen. „Der Erfolg hängt davon ab, wie motiviert die Leute sind.“

Unbürokratischen Beistand wie bei der BBJ-Servis wünscht sich Grottian für alle Arbeitslosen. Wer länger als drei Monate arbeitslos ist, sollte „bei jeder Bank einen Arbeitsplatzkredit für eine abhängige oder selbständige Beschäftigungsposition erhalten.“ Die Banker seien der Idee gegenüber aufgeschlossener als die Politiker, schildert er. Kein Wunder: Für die Rückzahlung der Kredite soll nach seinen Vorstellungen letztendlich der Bundesarbeitsminister bürgen.

Eine Untersuchung über Existenzgründer, die vom Arbeitsamt mit „Überbrückungsgeld“ gefördert wurden, erbrachte überraschend positive Ergebnisse. 70 Prozent der Arbeitslosen, die sich selbständig gemacht hatten, waren auch nach drei Jahren noch selbständig berufstätig. Nur elf Prozent hatten sich wieder arbeitslos gemeldet. Bei den existenzgründenden Arbeitslosen dürfte es sich aber auch um eine Art „Elite“ der Erwerbslosen handeln.

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