Fischer-Menzel muß stiften gehen

„Ehegatten-Affäre“: Runde läßt Sozialsenatorin fallen. Die schlägt zum Abschied um sich – und verschweigt neuen Aktenvermerk  ■ Von Silke Mertins

40 Minuten ließ Helgrit Fischer-Menzel die JournalistInnen gestern mittag warten. Dann erschien sie mit unbewegter Miene, entschuldigte die Verspätung „mit Computerproblemen“und nahm mit den Worten: „Die babylonische Sprachverwirrung in ehrabschneidender Absicht ist der Grund, warum ich jetzt meinen Rücktritt erkläre“ihren Hut als Hamburgs Senatorin für Arbeit, Soziales und Gesundheit.

Sie übernehme zwar die politische Verantwortung. Dennoch seien die Vorwürfe, sie habe die Alida-Schmidt-Stiftung ihres Ehegatten mit der Vergabe eines Auftrags ihrer Behörde begünstigt, „absurd“. Schuld an der Misere seien die Medien, das Fachamt für Soziales und Rehabilitation und der Staatsrat. Fischer-Menzels politische Vorgabe, Hamburger Träger vorrangig zu behandeln, sei „im Fachamt der Behörde so nicht umgesetzt worden“. Konkret greift sie damit Amtsleiterin Elisabeth Lingner an. Außerdem sei sie nach ihrem handschriftlichen Vermerk („Ich bin damit nicht einverstanden!“) vom August überhaupt nicht mehr mit der Entscheidung „befaßt“worden.

Doch das kann so ganz der Wahrheit nicht entsprechen. Lingner vermerkte noch am 2. Oktober 1997 in der Akte, die der taz hamburg vorliegt: Senatorin zur Kenntnisnahme mit der Bitte um Gelegenheit zur Rücksprache („S z.Ktn. m.d.B. um Gelegenheit zur Rü.“). Was offenbar noch am selben Tag geschah, denn Lingner vermerkt mit selbem Datum: Gemäß Rücksprache mit Senatorin ist Staatsrat in die Entscheidung einzubeziehen („Gem. Rü mit S ist SV in die Entscheidung einzubeziehen“). Fischer-Menzel muß also durchaus erneut „befaßt“worden sein.

Doch wen die SPD-Politikerin noch wessen beschuldigt, wird keine große Rolle mehr spielen. Klar ist, daß ihr Entschluß nicht ohne das Zutun des Ersten Bürgermeisters Ortwin Runde zustandekam. Runde hatte seine Parteifreundin, die 1993 von ihm die Sozialbehörde vererbt bekam, immer in Schutz genommen – auch vor Ex-Bürgermeister Henning Voscherau. Dieses Mal mußte er jedoch fürchten, selbst Schaden zu nehmen.

Runde würdigte gestern die Arbeit Fischer-Menzels und lobte ihren Rücktritt. Eine fast gleichlautende Huldigung gab SPD-Parteichef Jörg Kuhbier von sich. Er bedauerte darüber hinaus, daß sie für ihre Entscheidungen „nicht immer das notwendige Verständnis in der Öffentlichkeit gefunden“habe. Bei der Suche nach einer Nachfolge will Runde sich Zeit lassen. Er kündigte an, „bis spätestens zur Bürgerschaftssitzung am 1. April“eine Lösung gefunden zu haben. Allgemein wird davon ausgegangen, daß noch in dieser Woche einE NachfolgerIn für Fischer-Menzel präsentiert wird.

Derweil kocht die Gerüchteküche der SPD auf großer Flamme. Als Favoritinnen gelten Karin Roth, DGB-Chefin Nordmark, und Gitta Trauernicht, derzeit Staatsrätin der Senatskanzlei. Viele Genossen halten es für ausgeschlossen, daß der Bezirk Nord weiterhin Anspruch auf die Sozialbehörde anmeldet und etwa Nord-Chef Detlef Scheele ins Rennen schickt. Dem Bürgerschaftsabgeordneten Uwe Grund, DAG-Chef, und den Vize-Parteichefinnen Petra Brinkmann und Dorothee Stapelfeldt werden keine großen Chancen eingeräumt. Um den Filz-Eindruck gänzlich zu vermeiden, müßte jemand von außen auserwählt werden.

Siehe auch Seiten 4 und 12