■ Hamburg: SPD-Sozialsenatorin tritt wegen Mauscheleien zurück
: Der übliche Einzelfall

Daß man in Hamburg mit dem SPD-Parteibuch in der Hand und Filzpantoffeln an den Füßen Karriere macht, ist keine Nachricht wert. Doch was Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel sich geleistet hat, ist nicht nur moralisch haarsträubend, sondern auch dummdreist.

Über ein halbes Jahrhundert fast ununterbrochener SPD-Herrschaft haben eine machtarrogante Führungsclique hervorgebracht, die es offenbar nicht einmal mehr für nötig hält, Begünstigungen, Mauscheleien und Vorteilsnahme zu verschleiern. Selbst bei ihrem Rücktritt gestern mittag wies Fischer-Menzel jede Schuld von sich. Weder ihre Einmischung noch die Auftragserteilung an ihren Gatten hält sie für verwerflich. Maßlos und ungehörig findet sie lediglich die Art und Weise, wie die Medien darüber berichtet haben. Interessenkonflikte? Woher denn.

Der Zustand der Hamburger SPD nähert sich inzwischen den legendären Frankfurter SPD-Verhältnissen an. Von der Aufbruchstimmung, auf die man nach dem Abtritt Henning Voscheraus hoffte, ist nichts zu spüren. Stimmen, die schon lange der Meinung waren, die SPD sei nur zu retten, wenn sie in die Opposition gezwungen würde, mag man kaum widersprechen. Allerdings ist für den politischen Schaden nicht nur die Senatorin verantwortlich, sondern auch Hamburgs Erster Bürgermeister Ortwin Runde. Trotz der frappierenden Fehler, die Fischer-Menzel sich bereits unter Voscherau geleistet hatte, stellte er sich immer wieder schützend vor seine Parteifreundin. Obwohl sie wegen der Schließung des berühmten Hafenkrankenhauses auf St. Pauli bereits zur meistgehaßten Politikerin Hamburgs geworden war, machte Runde sie wieder zur Senatorin.

Rundes sozialdemokratischer Heimatbezirk, Hamburg Nord, behandelt die Landesbehörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales wie persönliches Eigentum. Posten werden seit Jahrzehnten nicht nach Kompetenz und Erfahrung vergeben, sondern nach Flügelproporz und Freundeskreis. Schon die Gründung der bürgerlichen Protestbewegung Statt Partei vor fünf Jahren, die sich Anti-Filz auf die Fahnen schrieb, hätte der Hamburger SPD zu denken geben müssen. Denn auch wenn die Statt Partei als Regierungspartner nichts bewirkte, der Frust über Parteibuchwirtschaft ist groß.

Auch dieses Mal wird die SPD nur ihr Bedauern über den tragischen Einzelfall bekunden. Und nach dem nächsten Urnengang mit geringer Wahlbeteiligung und gutem Abschneiden rechter Parteien wird dann wieder über Politikverdrossenheit lamentiert werden. Silke Mertins