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War der „König von Marbella“ ein Nazi?

Honorarkonsul Hoffmann soll mit doppelter Identität in Spanien leben. Er klagt gegen die Vorwürfe eines Historikers  ■ Von Reiner Wandler

Madrid/Berlin (taz) – Der deutsche Honorargeneralkonsul in Malaga, Hans Hoffmann, hat viele Titel: „König von Marbella“ nennen ihn die einen in Anspielung auf den Jet-set an Spaniens Sonnenküste. „Erfinder der Costa del Sol“ sagen die anderen zu dem Immobilienhändler. Dutzende von Orden hängen an der Brust des 88jährigen: der vom spanischen Komturkreuz Isabela la Catolica, der Cisneros-Orden mit Stern, das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse und das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik.

Hoffmann, der seit 35 Jahren Deutschland vertritt, zählt und zählte berühmte Männer zu seinen Freunden: Manuel Fraga Ibarne, der Gründer der heutigen Regierungspartei Partido Popular, Franz Josef Strauß und Willy Brandt. Mit Rudolf Augstein hält er Kontakt. „Exemplarisch für viele Auslandsdeutsche“ sei Hoffmann, schwärmte gar Bundeskanzler Helmut Kohl.

Der Hochgelobte meint aber auch, daß andere ihn wegen seiner Vergangenheit verleumden. Beim Landgericht Frankfurt am Main klagt Hoffmann in den kommenden Wochen gegen den Historiker Carlos Collado Seidel wegen „Verleumdung und Beleidigung“. Dessen Vergehen: Er hat der langen Aufzählung der Verdienste des Konsuls in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 4. April 1997 einen Eintrag hinzugefügt: „herausragendes Mitglied der Nazipartei und gefährliches Mitglied der Gestapo“. Collado Seidel, Spezialist für deutsch- spanische Beziehungen und die Nazi-Aktivitäten in Spanien, belegt seinen Vorwurf mit einer Liste der Alliierten vom 22. Oktober 1947. 104 in Spanien lebende Deutsche sind darauf vermerkt. Der spanische Diktator Francisco Franco wurde aufgefordert, die darauf vermerkten Personen nach Deutschland zurückzuschicken, damit sie dort für ihre Tätigkeiten im Zweiten Weltkrieg zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Hoffmann, die Nummer 37, entging wie viele andere auch diesem Schicksal. Carlos Rein Segura, damaliger Landwirtschaftsminister und führendes Mitglied der spanischen faschistischen Organisation Falange, machte sich für ihn stark.

Wie Hoffmann, der bis heute behauptet, nie der NSDAP angehört zu haben, auf die Liste kam, will Collado schlüssig beweisen können. Hoffmann habe jahrelang ein Doppelleben geführt. Er sei identisch mit Horst Albert Fuldner, der, als Nummer 27, ebenfalls auf der Liste vermerkt ist.

In einer Aktennotiz vom 7. April 1945, die Collado Seidel im spanischen Außenministerium fand, heißt es zu Fuldner: „Kürzlich traf mit einem Lkw voller Gemälde, Radierungen und Kunstwerke ein Deutscher mit argentinischem Paß namens Fuldner in Spanien ein, der sich dem Handel widmet, um so mit wichtigen Persönlichkeiten in Kontakt treten zu können, ohne seine wirklichen Absichten preiszugeben.“ Die tatsächliche Aufgabe des „Aktivisten des Nationalsozialismus“: „in Voraussicht der Niederlage Deutschlands (...) unter den Deutschen in Spanien eine Gruppe zu gründen, die das Ideengut am Leben erhält“.

Collado Seidel machte sich im Berliner Document Center auf die Suche nach Fuldner, der eigens ausgesucht worden sei, „weil er viele Freundschaften mit Spaniern unterhält und weil er der Blauen Division angehörte“. Doch der Lebenslauf des 1910 geborenen Fuldner hatte allerdings gleich mehrere Haken. Er wurde nach Fahnenflucht und Diebstahl aus der SS und der NSDAP ausgeschlossen, und seine Spur verliert sich 1942 an der Front in Afrika. „Alles andere als vertrauenswürdig, um die NSDAP im Ausland zu reorganisieren und die Flucht vieler Nazis über Italien nach Lateinamerika zu organisieren“, resümiert Collado den Lebenslauf Fuldners. In den spanischen Brigaden, der Blauen Division, hatte der echte Fuldner nie gedient.

Ganz anders Hoffmann. Der in Spanien aufgewachsene Hoffmann kam 1936 nach Deutschland, wo er als Fahnenjunker in die Militärschule eintrat. Nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges kehrte er mit der Legion Condor in seine zweite Heimat zurück und kämpfte auf seiten Francos gegen die Spanische Republik. Ab 1938 diente er als Verbindungsmann und Dolmetscher zur spanischen Armee. Später arbeitete er in der Presseabteilung des deutschen Konsulates in Bilbao und in der Madrider Botschaft. 1942 und 1943 stellte er seine Sprachkenntnisse der Blauen Division an der Ostfront zur Verfügung und betreute dort – so Collado – die Kontakte von Nazi-Außenminister Joachim von Ribbentrop zu dem Teil der spanischen Offiziere, die für einen Kriegseintritt ihres Landes und einen Sturz des kriegsunwilligen Franco waren. Die Verwirrung um Hoffmann und Fuldner geht so weit, daß der Spiegel 1963 in einem Artikel über die Verschwörung gegen Franco unter dem Namen Fuldner die gesamte Biographie Hoffmanns abdruckte.

Den Beweis dafür, daß es sich tatsächlich um dieselbe Person handelt, tritt Collado mit einem Brief vom 14. September 1971 des Gesandtschaftsrates der Deutschen Botschaft in Madrid (1939 bis 1943), Erich Gardemann, an den Autor des Buches „Spanien im Zweiten Weltkrieg“, Klaus-Jörg Ruhl, an. Dort heißt es: „Zunächst sei festgestellt, daß wie Koenig das Pseudonym für Stohrer (Botschafter von 1937 bis 1942) der Argentiniendeutsche Albert Fuldner das für den Spaniendeutschen Hans Hoffmann, jetzt Konsul in Malaga, ist.“ Für Collado Grund genug, um seinen umstrittenen Artikel in der FAZ mit dem folgenden Abschnitt zu beenden: „Hans Hoffmann, Albert Fuldner. Eine Nachkriegskarriere. Historische Untersuchungen belegen: Hinter beiden Namen verbirgt sich ein und dieselbe Person.“ Hoffmann bestreitet auch weiterhin, sich jemals einer zweiten Identität bedient zu haben.

Und Staatsminister Helmut Schäfer im Auswärtigen Amt bestätigte seinem Konsul auch nach Bekanntwerden der Vorwürfe Collados auf Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Volker Beck „hohes Ansehen“.

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