: Bei Schwarzarbeit herrscht Doppelmoral
■ Forscher: Interesse der Wähler an Verringerung der Schwarzarbeit ist gering
Berlin (taz) – Der Erfolg war mager: Nur 4.426 Haushaltsschecks wurden im vergangenen Jahr von Privathaushalten eingereicht, um Putzfrauen, Babysitter und Altenbetreuer bei der Krankenkasse anzumelden. Obgleich die Kosten für Haushaltshilfen mit solchen Schecks von der Steuer abgesetzt werden können, mögen es die Deutschen lieber „schwarz“. „Nur ein geringer Teil der Arbeitnehmer, Wähler und Steuerzahler“ habe „Interesse an einer Verringerung der Schwarzarbeit“, sagt Volkswirtschaftler Friedrich Schneider von der Universität Linz. Höhere Strafen und Kontrollen zur Bekämpfung der Schwarzarbeit führten „nicht zum gewünschten Erfolg“.
In seiner Studie, die demnächst im Tübinger Institut für angewandte Wirtschaftsforschung erscheint, untersucht Schneider die Entwicklung der Schattenwirtschaft in Europa. Dabei gilt ihm die steigende Nachfrage nach Bargeld als der wichtigste Indikator. Fazit: Von 1975 bis 1997 ist der Anteil der Schattenwirtschaft in Deutschland von rechnerisch 5,75 Prozent auf 15 Prozent des Bruttosozialprodukts gestiegen. In einem Ländervergleich lagen Italien (26 Prozent), Spanien und Belgien weit vor Deutschland. In Großbritannien und den USA (9,4 Prozent) gibt es weniger Schattenwirtschaft. Fast die Hälfte der Schwarzjobs in Deutschland bestanden aus Bau-, Renovierungs- und Reparaturarbeiten. Zwei Drittel der in der Schattenwirtschaft erbrachten Wertschöpfung würde von Erwerbstätigen geleistet, so Schneider.
Die Schattenwirtschaft hat nicht nur dunkle Seiten. Schließlich kauften sich die Leute mit dem Zusatzeinkommen Autos und Fernseher, so Schneider. In Österreich fließe mindestens 70 Prozent des Geldvolumens wieder in den Inlandskonsum zurück. Dennoch seien die Ausfälle bei Steuer und Sozialversicherung „beträchtlich“.
Ob es aber angebracht wäre, Schwarzarbeit strenger zu ahnden, bezweifelt der Linzer Volkswirtschaftler. Es sei fraglich, ob bei einer erfolgreichen Verminderung der Schwarzarbeit tatsächlich zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen würden. Viele Auftraggeber könnten sich die „schwarz“ erbrachten Dienste zu normalen Preisen gar nicht leisten. Häufig höre man von den Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften Klagen über das Anwachsen der Schwarzarbeit. Bei genauer Betrachtung erkenne man aber, daß dies in vielen Fällen nur offizielle „Muß-Statements“ seien, so Schneider.
Ein Blick in die Nachrichtenagenturen zeigt, daß es auch in Deutschland eine „gute“ und eine „schlechte“ Schwarzarbeit gibt. Gewerkschaften verurteilen insbesondere die illegale Beschäftigung von Ausländern auf öffentlichen Baustellen, Handwerkskammern aber halten sich mit der Verurteilung von Schwarzarbeit in Privathaushalten zurück. Während die Nachrichtenagenturen an einem Tag die Festnahme von illegalen ausländischen Arbeitern auf einer Berliner Baustelle meldeten, tickerte gleichzeitig eine Untersuchung der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) über die Agenturen, daß Schwarzarbeiter in Deutschland oft einen besseren Ruf als „legale“ Handwerker genießen.
Laut GfK-Umfrage erklärten die Befragten, daß Schwarzarbeiter ihre Aufträge schneller erledigten. Jeder zehnte gab an, einen Handwerker schon mal „schwarz“ beschäftigt zu haben. Von denen, die mehr als 5.000 Mark netto im Monat verdienten, profitierte sogar jeder vierte von der illegalen Dienstleistung.
Die illegale Beschäftigung von Ausländern auf Baustellen wird hingegen schärfer kontrolliert. Die Arbeitsämter stockten letztes Jahr ihr Personal um 1.000 Leute auf. Der Schwerpunkt habe sich von Kontrollen im Handel, bei den Versicherungen und Gaststätten auf den Baubereich verlagert, heißt es bei der Bundesanstalt für Arbeit.
Für dieses Jahr erwartet Schneider in Deutschland ein „Schattenwirtschafts“-Volumen in Höhe von 560 Milliarden Mark. Da die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab 1.April Handwerksleistungen verteuern wird, befürchten Schneider und auch Sprecher der Handwerkskammern und des Deutschen Industrie- und Handelstages einen weiteren Anstieg der Schattenwirtschaft. Barbara Dribbusch
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