: BJP verfehlt knapp die Mehrheit in Indien
Die Parlamentswahlen bringen trotz großer Gewinne für die Hindu-Partei BJP und die Kongreß-Partei keine klaren Mehrheitsverhältnisse. Ein Ende der politischen Instabilität ist nicht in Sicht ■ Aus Dehli Bernhard Imhasly
Die Allianz um die hinduistische rechtsnationale „Bharatiya Janata-Partei“ (BJP) hat bei den indischen Parlamentswahlen zahlreiche Sitze hinzugewonnen, eine absolute Mehrheit aber erneut verfehlt. Von den bis gestern nachmittag ausgezählten 459 Wahlkreisen gewann sie 232; sie führt in 20 der restlichen 84 Wahlkreise und könnte so auf 252 Sitze kommen – 20 unter der absoluten Mehrheit. Die Kongreßpartei hat knapp 30 Sitze gewonnen und könnte auf 167 kommen. Verliererin ist die regierende Koalition der Vereinigten Front. Ihre Mandate sind um über ein Drittel auf knapp hundert gefallen. Zu den Verlierern gehören auch der sozaldemokratische „Janata Dal“ sowie überraschenderweise die beiden tamilischen Regionalparteien DMK und TMC.
Im Hauptquartier der BJP wurden dennoch keine Süßigkeiten verteilt – das traditionelle indische Symbol des Feierns. Auch die BJP hat einige Verluste hinnehmen müssen, vor allem im Industriestaat Maharashtra, wo sie mit ihrem Regionalpartner Shiv Sena 22 Sitze an den Kongreß abgeben mußte. Der große Gewinner in der BJP-Allianz war zudem nicht die Kernpartei, sondern die Regionalparteien. Für sich allein hat die BJP nur rund ein Dutzend Stimmen gewonnen und bleibt auf ihrem bisherigen Stand von rund 170 Sitzen – in Sichtweite der Kongreß-Partei. In Tamil Nadu etwa gewann die BJP drei Sitze, und die alliierte AIADMK der früheren Chefministerin Jayalalitha errang 27.
Ein ähnlich gemischtes Resultat erzielte der Kongreß. Während er in Maharashtra seinen Anteil mehr als verdoppelte, verlor er in Bundesstaaten, in denen er an der Regierung ist. Die Partei kann Sonia Gandhi dankbar sein. Der Wahlhilfe der Witwe ist es zuzuschreiben, daß der Kongreß statt zu zerfallen so gestärkt wurde, daß er sich sogar Chancen ausrechnet, eine Regierungskoalition anzuführen. Gandhi gelang es nicht, die Lage der Partei im wichtigsten Staat, Uttar Pradesh, zu ändern. Sogar im traditionellen Familiensitz der Gandhis, Amethi, verlor der Familienfreund Satish Sharma. Eine Regierung wird der Kongreß nur mit dem Rest der Vereinigten Front bilden können. Diese hat aber so viele Stimmen verloren, daß es für eine Anti-BJP-Koalition sehr knapp werden könnte.
Die BJP und ihre Partner werden als stärkste Fraktion die Regierungsbildung beanspruchen. Staatspräsident K. R. Narayanan muß aber nicht die stärkste Fraktion als erste einladen, sondern jene mit der größten Chance auf eine Parlamentsmehrheit. Doch bei den sich jetzt abzeichnenden Mehrheitsverhältnisse glaubt ohnehin kaum jemand, daß das neue Parlament seine fünfjährige Legislaturperiode überdauern wird.
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