Beihilfe zum Mord an 70.000 Menschen

■ 78jähriger Ukrainer in Stuttgart als mutmaßlicher NS-Verbrecher festgenommen. In Majdanek 500 KZ-Häftlinge eigenhändig erschossen

Stuttgart (AFP) – Das Landeskriminalamt (LKA) Baden-Württemberg hat einen mutmaßlichen NS-Verbrecher aus der Ukraine festgenommen. Der Mann soll 1942 und 1943 an der Tötung von mehr als 70.000 vor allem jüdischen Menschen in Polen beteiligt gewesen sein. Seinen eigenen Angaben zufolge erschoß der 78jährige zufolge allein im Rahmen der sogenannten „Aktion Erntefest“ im November 1943 im polnischen Konzentrationslager Majdanek eigenhändig 500 Menschen, unter ihnen Frauen und Kinder.

Der ehemalige Angehörige der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und des Lubliner Sicherheitspolizei-Kommandos war am Dienstag in seiner Stuttgarter Wohnung festgenommen worden, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Stuttgart, Sabine Mayländer. Nach Angaben Mayländers erließ das Amtsgericht Stuttgart bereits am 23. Februar Haftbefehl gegen den Mann wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 70.000 Fällen.

Bei dem Festgenommenen handele es sich nach den Ermittlungen nicht um einen Befehlshaber, sondern um einen Teilnehmer der Tötungen, betonte Mayländer. Der Mann sei Mitglied, nicht Kommandeur der Sicherheitspolizei gewesen. Bei der juristischen Aufarbeitung des Falles sei möglicherweise ein Urteil eines sowjetischen Militärgerichts gegen den Mann anzurechnen; Mayländer zufolge war den Strafverfolgungsbehörden aber zunächst unklar, ob und für welche Vergehen der Beschuldigte darin zu mehrjähriger Strafhaft verurteilt wurde, wie er selbst angab. Allein bei der von den Nazis so bezeichneten „Aktion Erntefest“ waren 42.000 Menschen ermordet worden.

Nach Angaben Mayländers hatte der Mann sich bei zwei Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft Stuttgart als Zeuge in anderen Ermittlungsverfahren selbst schwer belastet. Erste Überprüfungen dieser Aussagen anhand von Archivmaterial hätten ergeben, daß sie weitgehend mit gesicherten historischen Geschehnissen übereinstimmen. Im Mai 1996 sei der Mann auf Bitten von Scotland Yard verhört worden, im April 1997 in Amtshilfe für die Staatsanwaltschaft Dortmund. Ihm sei „offenbar nicht klar gewesen, daß man das noch verfolgen kann“. Der Mann war von einem sowjetischen Militärgericht dafür bereits zu Zwangsarbeit in einem sibirischen Straflager verurteilt worden.