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Trügerisches Idyll

■ „Ausflugslokal“: Ralph Jurszo und seine verstörenden Landschaftsmalereien

Dieses Künstlerhaus liegt sowieso ein bißchen ab vom Schuß – eine gute Wahl von Ralph Jurszo, seine Ausstellung in Bergedorf „Ausflugslokal“zu nennen. Gezeigt wird richtig schöne Landschaftsmalerei. Meist kleinformatig, zeigt sie Pferde auf der Wiese und unsere schöne Heide – immer verstanden als „Targets“oder, wie es auf einem Bild in Frakturschrift heißt, als „Zielbestimmung“.

Der 50jährige hat den Mut, sich gleich dreimal zum Außenseiter der Kunstszene zu machen: Erstens malt man heute als aktueller Künstler sowieso möglichst nicht, und wenn schon, dann keine Landschaft in feinem Öl. Aber wenn schon Landschaft, dann doch bitte nicht im Abendlicht und keine versteckten toten Indianer und keine militärischen Begriffe da hineingeschrieben! Doch dieser Hamburger Künstler gehört zu denen, die sich den deutschen Wald nicht nehmen lassen wollen und die versuchen, der Natur in Wanderungen nahezukommen. Aber spätestens beim Sonnenaufgang über den Panzerunterständen muß auch er feststellen, daß Wald und Feld schon lange anderen als den einst revolutionären Landschaftsmalern gehören. Der deutsche Wald hat eine lange, mysteriöse und blutige Geschichte. Und biologische Bezeichnungen wie Blutbuche oder Buchenwald haben in germanischen Gefilden eine zweite, schlimme Bedeutung.

In Antonionis Blow Up beginnt der Fotograf an der Realität zu verzweifeln, als er im Großabzug eine Leiche im Gebüsch zu entdecken meint. Ebenso hinterhältig formulieren die Bilder von Ralph Jurszo eine Sicht auf eine Welt, die durch und durch kontaminiert ist. Eine Hecke begrenzt „unseren Garten“, oder war es „unser Lager“? Ein Dickicht wird zur Deckung, und Heckenschützen liegen – unsichtbar – auf der Lauer.

Da ist es schon besser, im Haus zu bleiben. Und wenn, wie bei der Eröffnung, Hannes Wienert auf dem Alphorn jazzt, dämmert es: Das Ausflugslokal war immer schon wichtiger als die Landschaft drumherum.

Hajo Schiff

Künstlerhaus Bergedorf, Möörkenweg 18b-g, Sa/So 7./8. März, 14 – 20 Uhr

Targeting – Aus einer Sammlung merkwürdiger Videos zeigt Ralph Jurszo einen Dokumentarfilm über eine außergewöhnliche Technik des Sehens: Samstag, 19 Uhr

Waldwesen – eine fotografische Randbemerkung. Bei Bier und Buletten präsentieren Maya Mos und Ralph Jurszo Dias aus einem deutschen Wald: Sonntag, 19 Uhr

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