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„Wie die Machtübernahme einer Junta“

Der slowakische Ministerpräsident Mečiar schöpft seine neuen Kompetenzen voll aus. Die Opposition setzt auf Zusammenarbeit, hat dem autokratischen Regierungschef im Moment aber nur wenig entgegenzusetzen  ■ Aus Bratislava Keno Verseck

Der Palast des slowakischen Staatspräsidenten wirkt verwaist. Kein einziger Polizist oder Sicherheitsmann patrouilliert mehr dort. Weit und breit ist keine Limosine mehr in Sicht. Tore und einige Fenster stehen offen. Das Gebäude macht den Eindruck, als sei es leergeräumt und werde nun ausgelüftet. Nur die beiden Soldaten in Ehrenuniformen halten vor dem Eingang noch reglos Wache.

Am vergangenen Montag lief die fünfjährige Amtszeit des slowakischen Staatspräsidenten Michal Kováč ab. Das genau war der Augenblick, auf den der slowakische Regierungschef Vladimir Mečiar schon lange gewartet hatte. In Ermangelung eines Nachfolgers gingen die präsidialen Vollmachten auf die Regierung über.

Schon am nächsten Morgen begann Mečiar, seine Pläne zu verwirklichen. „Es kam mir vor wie die Machtübernahme einer Junta in einem Dritte-Welt-Land“, beschreibt Jan Figel, der Vizepräesident der oppositionellen „Christdemokratischen Union“, seinen Eindruck vom Tag danach. Kaum im Besitz der präsidialen Vollmachten, ließ Mečiar die Hälfte der slowakischen Botschafter im Ausland abberufen, annullierte ein für April geplantes Referendum über die Direktwahl des Staatspräsidenten und den Nato-Beitritt des Landes. Außerdem erließ er eine Amnestie, mit der er unter anderem Mitglieder seiner eigenen Regierung und des slowakischen Geheimdienstes von strafrechtlichen Untersuchungen befreite. Sie stehen im Verdacht, in die Entführung des Sohnes des slowakischen Staatspräsidenten verwickelt zu sein.

Staatspräsident Kováč war seit langem eines der letzten demokratischen Hindernisse im Regime des Regierungschefs. Um einen Nachfolger zu wählen, der Mečiar gegenüber loyal ist, verfügt seine Regierungskoalition im Parlament nicht über die entsprechende Drei- fünftelmehrheit, kann aber anderseits die Wahl eines Kandidaten beliebig lange blockieren.

In der Zwischenzeit übt die Regierung die meisten der Präsidialfunktionen und -vollmachten aus. Neben der Möglichkeit, Referenden anzusetzen und Amnestien zu verkünden, ist Mečiar auch Oberbefehlshaber der Armee und kenn Verfassungsrichter bestellen. Wie es die Verfassung vorschreibt, müssen die Parlamentsabgeordneten alle dreißig Tage von neuem versuchen, einen Staatspräsidenten zu wählen.

Der dritte Versuch dieser Art fand am vergangenen Donnerstag statt. Das Ergebnis war bereits vorherzusehen: Keiner der beiden Kandidaten erhielt die erforderliche Mehrheit. Dennoch dauerten Prozedur und die anschließende Debatte mehrere Stunden. „Eine Zirkusveranstaltung“, kommentierten viele Oppositionsabgeordnete. Die monatlichen Wahlversuche, einen Präsidenten zu küren, werden mindestens noch bis Ende September andauern, wenn Parlamentswahlen stattfinden.

Noch wagt niemand von ihnen zu sagen, ob die Slowakei sich nun in Richtung einer Diktatur entwickeln wird. Doch die Opposition spricht übereinstimmend von „autokratischen Ambitionen Mečiars“ und sieht mit Besorgnis, daß er nun fast über uneingeschränkte Macht verfügt. Die bekannte Mečiar-Propagandistin und Parlamentsabgeordnete Eva Zelenajova hält dem die lakonische Antworten entgegen: „Natürlich sagt die Opposition, daß wir eine Diktatur wollen, denn wir befinden uns ja im Wahlkampf. Aber von unserer Seite droht keine solche Gefahr.“

Die zunehmende Kritik, die aus dem Ausland an die Adresse der Slowakei gerichtet ist, sieht sie als Resultat der „negativen, antislowakischen Lobbyarbeit“ der Opposition. Zwar liegt die Opposition in den neuesten Meinungsumfragen vorn. Die fünf Parteien der „Slowakischen Demokratischen Koalition“ hätten gute Chancen, nach den Parlamentswahlen im September zusammen mit den Parteien der ungarischen Minderheit und anderen Oppositionsparteien die Regierung zu bilden.

Gegenwärtig ist die Opposition jedoch weitgehend machtlos. „Wir befinden uns an einem Scheideweg“, sagt Jan Figel, der Vizepräsident der „Christdemokratischen Union“. „Die Menschen in der Slowakei müssen entscheiden, ob sie den Weg der Demokratie, des Rechtsstaates und der europäischen Integration wählen. Zu diesem Weg versuchen wir die Menschen aufzurufen.“

Jan Figel zitiert das Beispiel der großen antikommunistischen Demonstrationen in Bulgarien. Doch viel mehr als gegen Mečiars Regime auf die Straße zu gehen und auf einen Wahlsieg zu hoffen, können die Oppositionsparteien im Augenblick nicht anbieten.

Laszlo A. Nagy, Vorsitzender der liberalen „Ungarischen Bürgerpartei“, sieht es dennoch als positiv an, daß die Opposition in den letzten Monaten immer besser zusammenarbeitet. Im Dezember hat die „Slowakische Demokratische Koalition“ eine Kooperations- und Wahlvereinbarung mit den drei Parteien der „Ungarischen Koalition“ unterschrieben. Frühere Vorbehalte gegen die ungarische Minderheit scheinen in den Hintergrund getreten zu sein. Laszlo A. Nagy sieht es als sicher an, daß die Ungarn im Falle eines Wahlsieges der Opposition an der Regierung teilnehmen werden. „Für uns ist im Augenblick die Minderheitenproblematik nicht das wichtigste Thema“, sagt er, „sondern die Bewahrung der Freiheiten und Menschenrechte.“

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