: Nevio Scala will nur noch schlafen
Nach einem vernichtenden 2:4 bei Abstiegsaspirant 1860 München ist Champions-League-Sieger Borussia Dortmund nicht nur sprach-, sondern offenbar auch ratlos ■ Aus München Nina Klöckner
Die Münchener Prominenz hat zur Zeit wirklich kein leichtes Leben. Modezar Rudolf Mooshammer liegt im Krankenhaus, weil ein ungeschickter Chauffeur ihn und seinen weißen Rolls-Royce in Österreich in den Graben fuhr. Auch Karl Heinz Wildmoser, Präsident bei 1860 München, plagen gesundheitliche Probleme. Erst hungerte er sich 17 Kilo vom üppigen Leib, zur Belohnung hat er jetzt eine starke Erkältung, also „fast eine Lungenentzündung“.
Trotzdem schleppte sich der Löwen-Chef am Samstag nachmittag ins Münchener Olympiastadion zum Spiel seiner Mannschaft gegen Borussia Dortmund, und was er dort sah, erfreute ihn so sehr, daß er sich hinterher in den Katakomben heimlich eine Zigarre anzündete.
Bereits nach vier Minuten holte nämlich der Dortmunder Jovan Kirovski den Münchener Miroslav Stevic von den Beinen. Stevic trieb den fälligen Freistoß mit Hilfe des Windes in des Gegners Kasten: 1:0. Vier Minuten später zirkelte der fleißige Horst Heldt eine Flanke auf seinen Kollegen Hobsch, der konnte unbehindert einschieben. Nach einer Viertelstunde bediente Ned Zelic seinen Stürmer Bernhard Winkler, der gemütlich sein elftes Saisontor schoß. Zehn Minuten danach war das Duo Heldt– Hobsch wieder an der Reihe. 4:0 nach 25 Minuten. Das war das.
Daß Dortmund bei diesem Spiel auch mitmachte, war nur an den gelben Flecken zu merken, die völlig unorganisiert über den Rasen stolperten. Die Abwehrspieler standen meist fünf Meter neben oder fünf Meter hinter ihren Gegenspielern. Die Mittelfeldspieler trugen einen Wettbewerb im Fehlpassen aus. Um Münchens Flügelläufer Heldt kümmerte sich eigentlich überhaupt niemand. „Ich habe schon einen Gegenspieler gehabt“, sagte der nach dem Spiel. Der hieß Steffen Freund und wurde nach 25 Minuten ausgewechselt, aber da war eigentlich auch schon alles vorbei.
„Wir haben versagt“, sagte Freund nach dem Spiel. Da halfen auch die beiden Tore von Möller (81.) und Schneider (83.) nichts mehr. Und „wenn wir uns nicht motivieren können“, glaubt Nationalspieler Freund, „sind wir fehl am Platz.“ Sein Kollege Andreas Möller wollte „so kurz nach dem Spiel gar nichts sagen“. Ein paar Tage zuvor war er noch Dortmunds schnellster Duscher und erzählte nach dem 0:0 im Champions-League-Viertelfinale gegen Bayern München ausgiebig von dem „angenehmen Gefühl, wieder mit dem deutschen Meister mithalten zu können“.
Dortmunds Trainer Nevio Scala verweigerte ebenfalls die Aussage. „Ich habe keine Worte. Solche ersten 25 Minuten habe ich in meinem Leben noch nicht erlebt“, sagte er. Mehr nicht. Er wolle lieber erst mal darüber schlafen, bevor er etwas Falsches sage. Co- Trainer Michael Henke zeigte Verständnis für seinen Chef: „Wenn man so etwas ansehen muß, ist es eine natürliche Reaktion, daß man deprimiert ist.“
Sonntag vormittag leitete Scala dann – äußerlich ruhig – das Training.
Das irgendwas passieren muß, ist klar. Aber „wir müssen noch über Konsequenzen nachdenken“, sagte Präsident Gerd Niebaum völlig frustriert, „weil wir nicht mit so was gerechnet haben.“
Einige seiner Angestellten scheinen jedenfalls immer noch nicht kapiert zu haben, worum es geht. Knut Reinhardt beispielsweise sprach nach dem Spiel von den Problemen, sich für so eine Partie zu motivieren, wenn man schon „am Mittwoch 200 Prozent motiviert war“.
Münchens Jochen Kientz hat dafür wenig Verständis. Gut, die Dortmunder hätten viele Spiele gehabt und dort einige Kraft gelassen. Aber „am Samstag muß man fit sein. Und fertig.“ Das waren die Münchener auch, was sie zumindest ein bißchen aus der Gefahrenzone bringt. Präsident Wildmoser sah sich jedenfalls in seiner Taktik bestätigt, an seinem Trainer Werner Lorant festzuhalten.
Zurücklehnen können sich die Münchener freilich noch nicht. Dafür ist es unten viel zu eng, so „wird es auch bis zum letzten Spieltag bleiben“, glaubt Kapitän Winkler. Wenn die Dortmunder nicht aufpassen, sind sie auch bald wieder dabei. Wenn die Sechziger so weitermachen, sind sie vielleicht bald da unten raus. Doch davon will noch niemand reden. Denn „es ist nicht jeden Samstag so“, sagt Bernd Hobsch.
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