: Verlogene Verhältnisse
■ Karikaturist Til Mette über Frauen, Mercedes und politische Korrektheit
taz: Til, bist Du eigentlich ein Frauenfeind?
Til Mette: Nein.
Nein? Kürzlich erschien eine Karikatur von Dir: zwei Frauen, die Chefin und ihre Sekretärin. Die Chefin sitzt an ihrem Schreibtisch, darunter eine Lache. Die Sekretärin ruft: „Darf ich Sie an ihren Termin in der Kinderklinik erinnern, ich sehe, Ihre Fruchtblase ist geplatzt. Ist das witzig?
In den letzten Jahren hat sich die Rolle der Frau total verändert.
Das ist ja eine bahnbrechende Erkenntnis.
Ja, ich finde, das ist eine bahnbrechende Erkenntnis. Seit Hunderten von Jahren ist das eine ganz große Veränderung.
Aber in den Karikaturen von Til Mette spiegelt sich das nicht wider.
Wieso? In dieser Karikatur gibt es keine Männer, das ist eine reine Frauenwelt. Es gibt eine Frau, die sitzt am Schreibtisch und hat Karriere gemacht, und es gibt eine Vorzimmer-Dame.
Richtig, und die Chefin ist so blöd, daß sie vor lauter Arbeit nicht einmal merkt, daß ihre Fruchtblase geplatzt ist.
Eine Karikatur ist dann witzig, wenn man es schafft, den Spannungsbogen möglichst weit zu spannen. Hier wird das Intimste mit dem Karrieristischen verbunden.
Und was ist daran witzig?
Ich glaube, daß hier ein radikaler Bogen gespannt wird von der Karriere bis zu intimster Peinlichkeit.
Und das soll witzig sein?
Es ist immer nur ein Versuch witzig zu sein. Es gelingt nicht immer.
Ein weiterer Versuch war eine Karikatur, über die angebliche Affäre des amerikanischen Präsidenten mit seiner Praktikantin. Eine Frau kniet in der Straßenbahn vor einem Mann und befriedigt ihn mit dem Mund. Ist das nicht frauenfeindlich?
Was soll denn daran frauenfeindlich sein?
Die Frau kniet vor dem Manne.
Ja.
Sie ist Untertan.
Ja.
Sie befriedigt die Wünsche des Mannes – auf Knien. Wird die Frau da nicht herabgewürdigt?
Wodurch?
Durch die Darstellung: die Frau, das knieende Wesen, stets zu seinen Diensten.
Ich habe nur die Nachrichtenlage gezeichnet. Diese Situation ist wochenlang Thema in den Medien gewesen. Ich habe aber nie eine Zeichnung darüber gesehen. Ich habe den Präsidenten nicht gebeten, mit einer Praktikantin oralen Sex zu haben.
Es gibt eine weitere Karikatur. Sie zeigt den Unterleib einer Frau, die Beine sind gespreizt, aus der Scheide kommt – wie bei einer Geburt – ein Mercedes herausgefahren. Auch kein Sexismus?
Es geht hier um die Bedeutung von Mercedes in dieser Stadt. Diese Bedeutung ist übermenschlich.. Alle verzweifelten Arbeitslosen, alle Wirtschaftsbosse gucken auf Mercedes. Das ist nicht nur ein Automobil-Konzern. Das ist der Odem dieser Stadt.
Und deshalb muß der Unterleib einer Frau herhalten?
In einer Karikatur brauche ich ein entscheidendes Bild. Geburt ist zum Beispiel ein zentrales Thema. Ich wollte ein Bild machen, das an die innersten Gefühle appelliert.
Apropos Gefühle. Eine Karikatur zeigt einen Rollstuhlfahrer am Strand, der sich durch den Sand quält. Es gab Behinderte, die sich dadurch diskriminiert fühlten.
Ich akzeptiere es, wenn Behinderte sich darüber beschweren. Ich will mich nicht über Behinderte lustig machen. Das liegt mir fern. Ich habe eine Schwester, die behindert ist und im Rollstuhl sitzt. Ich habe als Kind gelernt, wie Leute Schadenfreude und Mitleid auf eine unerträgliche Weise transportieren. Das Thema dieser Karikatur ist die Schadenfreude. Es geht nicht um den Rollstuhlfahrer, sondern um die Leute, die im Hintergrund auf der Zuschauertribüne sitzen und klatschen. Ich habe das oft erlebt. Du willst in den Bus und kommst nicht rein, weil es keine hydraulische Rampe gibt. Glaubst Du, daß einer aufsteht und hilft? Das ist das Thema. Diese vermeindliche political correctness geht mir sowas von auf den Zeiger. Dieser vorauseilende Gehorsam gegenüber Ausländern, Behinderten, Frauen.
Du hast die Ökologie vergessen, die nimmst Du auch immer wieder gern aufs Korn.
Die ökologische Bewegung ist ein großes verlogenes Feld, Ausländerfreunde – verlogen. Das ganz alte Verhältnis, das die Szene – und zwar auch die taz – zur PKK hat, ist verlogen. Das Verhältnis, das wir zu kurdischen Drogendealern haben – verlogen. Wir haben ganz lange das Problem gehabt, zu sagen, daß diese Jungs aus Kurdistan kommen. Ich bin kein Ausländerfeind. Aber ich finde, die Methoden der PKK und die der kurdischen Drogendealer müssen benannt werden. Man muß das Kind doch beim Namen nennen.
Ganz Deiner Meinung.
Die Ökologie ist eines der Themen, warum wir damals die taz gegründet haben. Aber in unserer Szene gibt es genügend Leute, die heute etabliert sind und widerliche Stimmung machen. Ich habe keine Probleme bei Aldi einzukaufen.
Ich auch nicht, kann ich mir mit taz-Gehalt gar nicht erlauben.
In Deutschland hat es nie so eine gute Ernährungslage gegeben wie in den letzten 20 Jahren. Auch für Sozialhilfeeempfänger. Ich finde dieses Getue um ökologische Ernährung ist reinste Hysterie. Diese Linke, die mittlerweile selbstverliebt, verlogen und korrumpierbar geworden ist. Meine Karikaturen wären schrecklich, wenn sie in der Welt abgebildet wären. Aber in der taz sind sie eine Art Korrektiv, und das gilt auch für den Feminismus.
Fragen: Kerstin Schneider
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen