: Ein Geständnis Von Thomas Gsella
Im November '86 druckte das Ruhrgebietsmagazin Guckloch meinen ersten satirischen Text, eine total radikale Kritik an Kohls Goebbels-Gorbatschow-Vergleich. Zwei Tage später klingelte das Telefon. „Tach.“ – „Hier Playboy.“ – „Och.“ Um es kurz zu machen: Der Redakteur bedauerte, daß ich den Text nicht zuerst ihm angeboten hatte; aber ob ich das Guckloch nicht schmeißen und Playboy-Kolumnist werden wolle? Meine Reaktion können Sie sich vorstellen. Ich und Playboy! Hahaha! „Na hören Sie!“ bellte ich. „Wie hoch ist denn Ihr Zeilenhonorar?“ – „Für Ihren Text hätten wir 1.000 Mark gezahlt. Was zahlt Guckloch?“ – „113. Worüber soll ich schreiben?“ – „Wie wär's mit Männerbrusthaar? Das ist doch neuerdings out.“ – „Och.“ – „Ja. Eine lockere Erlebnisgeschichte. Trauen Sie sich das zu?“ – „Jou.“ – „Okay, wir schicken Ihnen ein paar Hefte. Damit Sie sich den Ton draufschaffen.“
Sechs pralle Magazine kamen. Die Kolumne stand jeweils auf Seite eins und näherte sich dem Eros prosaisch vom Alltag her, zum Beispiel so: „Gaby war echt durcheinander. Noch nie hatte sie zwischen zwei Männern gestanden, nun liebte sie außer Stefan auch mich. ,Hey, wo ist das Problem‘, fragte ich, als plötzlich Monika und Heiner“ oder so was. Schnell setzte ich mich hin und begann mit dem Titel: „Frauenlust auf blanke Männerbrust“. Das ersetzte ich durch „Alles klar – ohne Brusthaar“. Der Text war genauso spitze: „Seit einer Stunde hatten wir jetzt schon Blickkontakt, und es funkte gewaltig. Das waren aber auch zwei Funkenmariechen mir gegenüber an der Bar-Theke! Jacqueline war schwarzhaarig, Helena blond, also für jeden Geschmack was dabei, und zusammen wohnen taten sie auch. Aber heute, das war mal klar, waren die Häschen auf der Suche nach adventure – während ich sechs, na sagen wir ruhig sieben Biere intus hatte und entsprechend Kribbeln in der Hose. Schnell saßen wir dann im Taxi hinten und befummelten uns. Und ich muß sagen, die Figuren waren tadellos. Der Taxifahrer wurde neidisch, dann hieß es aussteigen. Ihr Bett war noch durchwühlt, aber die Wohnung war modern in Flötotto gehalten. Wir zogen uns gegenseitig aus, was uns sehr anmachte. Aber als die Reihe an mir war und mir Helena hemmungslos den Pulli auszog, tauchten die Probleme auch schon auf. ,Iih, guck mal, was der hat‘, schrie Helena Jacqueline an, und Jacqueline ekelte sich jetzt auch: ,Das ist ja widerlich!‘, rief sie, ,zieh dich sofort wieder an, du Mistsau!‘ Helena hielt sich die Augen zu, und Jacqueline kotzte, glaub' ich, ein bißchen auf den Flötotto-Flokati. Dann kam mir eine Idee! ,Hey‘, schäkerte ich, ,liegt es an meinem Brusthaar, ihr Süßen?‘ Wie auf ein Stichwort hörten die beiden mit dem Ekeln auf. Da wußte ich, was der Fall gewesen war. Die beiden durften mir das ,Fell‘ abmachen, und es wurde noch eine heiße Nacht. Komisch, wie sich Vorlieben mit der Zeit verändern und wandeln. Was heute noch in ist, kann morgen schon out sein. ENDE.“
Leider wurde der Text nicht genommen, überhaupt hörte ich nichts mehr vom Playboy. Dafür mußte ich zum Zivildienst (mobile Altenpflege). Viele Gute waren dabei. Aber ein Saunazi, 98 Jahre und mit Darmausgang, den ich rasieren mußte, starb während meiner Amtszeit an „Herzkasper“, hehehe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen