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Saure Bonbons, nun ausgepackt

Die seligen Tage der Redaktionsfamilie sind dahin. Trotzdem will die „Badische Zeitung“ in Freiburg immer noch mehr sein als andere Lokalblätter. Nun hat sie sich in ganz Deutschland Journalisten eingekauft. Darunter taz-Vize Hermann-Josef Tenhagen  ■ Von Georg Löwisch

Wenn Christian Hodeige von den neuen Projekten seiner Badischen Zeitung berichten darf, dann wächst der Verleger in seinem Sessel. Er breitet die Arme zu einer visionären Geste aus. Dann fallen große Worte: „Deutliches Signal“, sagt er, „große Aufbruchstimmung“ oder „neues Gesicht“. Auch sich selbst hat er einen neuen Titel verliehen. Er ist jetzt „Herausgeber“; und zu seinem „Berater“ hat er den Altliberalen Ralf Dahrendorf ernannt. Bei dem hat Hodeige schließlich mal studiert: „Einen so wichtigen zukunftsorientierten Denker“, schwärmt er.

Dahrendorfs Name ist nicht der einzige aus dem BZ-Impressum, der in der Verlagsetage mit Andacht ausgesprochen wird. Seit kurzem hat man mit Jürgen Busche, der zuletzt die Wochenpost leitete, einen neuen Chefredakteur: „Einer der renommierten Journalisten in Deutschland“, verkündet Hodeige. Am Wochenende wurden in der Verlagszentrale an der Basler Straße nun weitere Verträge abgeschlossen.

Endlich will die BZ wieder wer sein unter den Zeitungen. Mehr will sie gelten als die direkten Nachbarn vom Schwarzwälder Boten oder vom Südkurier. So war es schließlich lange Zeit.

Die BZ führte vor, daß eine Regionalzeitung keine Wüste aus Agenturmeldungen und Protokollen von Feuerwehrtreffen sein muß. Sie war die Insel der Seligen der deutschen Medienwelt. Hier mischten sich keine Vorstandsherren ein. Hier hielten sich die alteingesessenen Verlegerfamilien vornehm zurück. Hier hatten die Redakteure in einem familiären Klima Zeit, um über Kommentaren zu grübeln. Nur im eigenen Verbreitungsgebiet war der Ruhm nicht gar so groß. Dort nannten sie die Leser die „Badische Tante“ – liebenswert, aber verschlafen.

Doch plötzlich war etwas anders geworden zwischen den netten liberalen Verlegerfamilien und den netten liberalen Redakteuren, die mit ihrer netten liberalen Leserschaft eine Symbiose pflegten, wie es sie nur in der Uni-Stadt Freiburg gibt. Es begann 1995, als Redaktionspatron Ansgar Fürst in Ruhestand ging. Der hatte sich Respekt durch ausgefeilte Leitartikel verschafft. Er leistete sich eine Reportergruppe, Auslandskorrespondenten zusammen mit der Frankfurter Rundschau und dem Zürcher Tagesanzeiger und einen bundesweit beachteten Kulturteil. Doch nach Fürsts Abgang war es mit der Harmonie vorbei.

Das war die Zeit, als Adolf Theobald aus dem fernen Hamburg kam. Theobald ist ein alter Recke des Verlagsgeschäfts, der schon beim Spiegel Geschäftsführer war, Vorstand beim Verlagskonzern Gruner+Jahr, für den er Geo und Capital geführt hatte. Während Christian Hodeige in seinem Verlagshaus Besuchern von großen Namen vorschwärmt, zieht der 67jährige Theobald als graue Eminenz von seinem Alterssitz am Freiburger Schloßberg die Fäden. Offiziell ist er „Berater“.

„Bei uns wird er Headhunter genannt“, sagt ein Redakteur. Mit Theobald hielten die Methoden großer Verlagskonzerne im Familienverlag Einzug. Verblüfft registrierte man, wie er im Stile eines Konzernmanagers Mitarbeiter feuerte, so wie es sich vor seiner Ära niemand erkühnte. Und wie er sich mit gefüllter Brieftasche auf dem bundesweiten Journalistenmarkt nach neuen Namen für Hodeige umtut.

Die Operationen Theobalds sind aber schon sein zweiter Versuch: Das erste Mal war er auf den Bauch gefallen. Da hatte er die Führungspositionen mit Personal aus den ihm bekannten Hamburger Verlagen besetzt – Redaktionschef Christ kam vom Manager-Magazin. „Ein unguter Graben war entstanden“, beschreibt ein BZler bedächtig den Riß: Hamburger Seilschaften hier, Freiburger Familienfrieden dort.

Im vorigen Sommer entlud sich die Spannung: Chefredakteur Christ, der den langjährigen Kulturchef Gerhard Jörder absägen wollte, mußte selber gehen. Nahezu das gesamte Freiburger Bildungsbürgertum war mit der Redaktion gegen den Chef aufgestanden.

Doch in Ordnung war auch danach nichts. Es kam zu einem Massenexodus – schließlich ging sogar der umkämpfte Jörder selbst. Panisch hatten es die Verleger mit zwei verbliebenen Christ-Leuten als Redaktionschefs versucht, denen ein Alt-BZler zur Seite stehen durfte.

Sieben der Abtrünnigen machten die Zeitung zum Sonntag auf, die nicht nur den Anzeigenverkäufern der BZ den Angstschweiß ins Gesicht trieb. Hektisch ließ man saure Zitronenbonbons (badisch „Gutzele“) verteilen, wie zuvor die ZuS. Hektisch ließ man eine Reklamestraßenbahn kreisen, wie die ZuS. Das Monopol war dahin. Als ein Lokalradio meldete, die BZ werde verkauft, löste das blankes Entsetzen rund ums Freiburger Pressehaus aus – auch wenn es eine Ente war.

So durfte sich am Schloßberg Adolf Theobald ein zweites Mal an die Arbeit machen. Seit drei Wochen läuft nun Jürgen Busche durch die Redaktionsflure, „turnt durch alle Zimmer“, wie ein Redakteur beschreibt, und erzählt Anekdoten aus seiner FAZ-Zeit. Anweisungen dekretiert der neue Mann im Stil eines ruppigen US- Managers: „Ich kann es nicht ertragen, wenn Konferenzen zu lange dauern.“ Die Redakteure reiben sich derweil schon wieder die Augen: Im Gegensatz zu den guten alten linksliberalen Zeiten kann sich der Neue in kaum einem Kommentar den Namen Helmut Kohl verkneifen – über den hat er schließlich ein Buch geschrieben. Hodeige dürfte sich auch freuen: Sonntags kann er seinen neuen Chefredakteur bei der Analyse der Weltlage im ARD-Presseclub bewundern. Über seine Pläne mit der BZ sagt Busche der Presse hingegen nichts.

Dabei wäre einiges zu berichten: Am Wochenende machten Theobald und Hodeige die letzten Verträge mit den Neuzugängen klar, derentwegen Theobald in den letzten Wochen so umtriebig in der Republik herumtelefonierte. Von der taz kommt mit Vizechefredakteur Hermann-Josef Tenhagen der neue Nachrichtenchef der BZ. Den neuen Politikchef Christian Bommarius holte Theobald von der Berliner Zeitung. Klaus Dreher vom Bonner Büro der Süddeutschen Zeitung wird dort neuer BZ- Bürochef. Nur im gebeutelten Feuilleton sind noch Lücken aufzufüllen. Zu alledem tut sich im Haus Zeitungsdesigner Jo Wyllner um, der schon die Ludwigshafener Rheinpfalz zur eleganten Regionalzeitung mit durchstylte. Die BZ soll aber weniger radikal umgemodelt werden, versichert man.

Warum nach dem ganzen Durcheinander um die BZ nicht Verursacher Theobald gehen mußte, fragen manche Redakteure. Doch – darin ist Freiburg eben doch nicht Hamburg – erfolglose Verantwortliche bekommen am Schwarzwaldrand schon mal eine zweite Chance: So wie Volker Finke. Der Mann ist Trainer des SC Freiburg, der Mannschaft, die in der Stadt das Maß aller Dinge ist. Nach dem Abstieg in die zweite Liga, wechselte die Vereinsspitze nicht ihn aus, sondern die ganze Mannschaft. Jetzt steht der SC auf Rang drei. Das wäre ein Aufstiegsplatz.

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