■ Prozesse gegen Pinochet: Mehr Symbol als Justiz
Valparaiso, Sitz des chilenischen Senats, ist heute gespalten und von der Polizei abgeriegelt. Der Platz vor dem Kongreß gehört den Pinochet-Gegnern, dahinter stellen sich die Pinochet- Anhänger auf, um ihrem General die Ehre zu erweisen, wenn er heute als Senator auf Lebenszeit vereidigt wird. Der Senatsposten steht jedem chilenischen Präsidenten zu, der länger als sechs Jahre im Amt war.
Chile ist über Pinochet gespalten. Die ihm treuen Parteien erreichten bei den Parlamentswahlen im Dezember zusammen an die 30 Prozent, und die Armee ernannte ihn am Wochenende zum „Verdienten Oberkommandierenden“. Seit Monaten hagelt es aber auch Proteste gegen seinen Plan, Uniform gegen Anzug zu tauschen – vergebens.
Mehrere Verfahren laufen derzeit gegen Pinochet. Er kann ihnen gelassen entgegensehen. Als Senator genießt er, wie als Heereschef auch, Immunität. Vor einem Monat hat ein Gericht in Santiago die Klage der Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Chiles, Gladys Marin, gegen Pinochet wegen „Völkermordes, Entführung und illegalen Verscharrens von Leichen“ zugelassen. Ihr Ehemann wurde während der Diktatur ermordet, sie selbst wird vor Gericht als Zeugin gegen Pinochet aussagen.
Daneben wollen fünf christdemokratische Abgeordnete eine Verfassungsanzeige gegen Pinochet auf den Weg bringen. Für ein solches politisches Verfahren im Parlament brauchen sie aber eine Mehrheit im Kongreß, und bisher hat sich die Christdemokratie (DC) von dieser Idee nicht besonders begeistert gezeigt. Am späten Montagabend entschied die Partei, es ihren Abgeordneten freizustellen, wie sie im Parlament abstimmen. Heben die DC- Abgeordneten allerdings die Hand für eine Verfassungsanzeige gegen Pinochet, stimmen sie damit gegen ihren eigenen Präsidenten. Vergangene Woche sprach sich Präsident Eduardo Frei gegen ein Verfahren gegen Pinochet aus – um den Redemokratisierungsprozeß nicht zu gefährden.
So ist das einzige Verfahren, das Pinochet tatsächlich gefährlich werden könnte, jenes, das die spanische Justiz gegen ihn angestrengt hat. In Spanien wird gegen Pinochet wegen der Ermordung spanischer Staatsbürger während der Diktatur ermittelt. Zwar kann Pinochet im Falle einer Verurteilung nicht ausgeliefert werden. Würde er aber mit internationalem Haftbefehl gesucht, könnte er Chile nicht mehr verlassen – mithin eine kleine Genugtuung für die Opfer. Ingo Malcher
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