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Die Bestätigung des indonesischen Präsidenten Suharto war nur eine Formsache. Heute bekommen die 200 Millionen Bürger des Inselstaats einen Vizepräsidenten vorgesetzt: Der neue Vize, Bacharuddin Jusuf Habibie, ist einer besonderer Freund de

Die Bestätigung des indonesischen Präsidenten Suharto war nur eine Formsache. Heute bekommen die 200 Millionen Bürger des Inselstaats einen Vizepräsidenten vorgesetzt: Der neue Vize, Bacharuddin Jusuf Habibie, ist einer besonderer Freund der deutschen Wirtschaft

Bonns Mann in Jakarta

Freunde nennen ihn einen „Visionär“, Gegner bezeichnen ihn als „Clown“, und Spötter heißen ihn „den Deutschen“: Indonesiens Forschungs- und Technologieminister Bacharuddin Jusuf Habibie. Heute erreicht der 62jährige, der jahrelang in Deutschland lebte, den vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere. Als Stellvertreter – und damit möglicher Nachfolger – von Präsident Suharto rückt er an die Spitze des Staates.

Suharto selbst ließ sich gestern von der seit Anfang März in Jakarta tagenden „Beratenden Volksversammlung“ nach 32jähriger Herrschaft erneut im Amt bestätigen. Das war reine Formalität, denn der autokratische Präsident hat die Delegierten des tausendköpfigen Gremiums zum großen Teil selbst bestellt.

Auf den Abgeordnetensitzen war zu bewundern, wer unter Suharto etwas gilt: Suhartos Kinder und deren Ehepartner ebenso wie Geschäftsfreunde, Familien der Minister und anderer hoher Beamter. Gegenkandidaten gab es für beide Ämter nicht.

Das Duo an der Spitze des riesigen südostasiatischen Staates mit 202 Millionen Einwohnern ist auch für Deutschland interessant: Denn mit Habibie ist ein Mann nur „einen Herzschlag“ vom Präsidentenposten entfernt, der ein enger Freund der Bonner Regierung ist. Habibie war es, der in den letzten Jahren deutschen Politikern und Händlern die Tür zum Präsidenten öffnete und den Weg zu lukrativen Geschäftskontrakten ebnete.

Doch der Aufstieg Habibies, der in Aachen studierte, fällt in turbulente Zeiten. Indonesien steckt in der schlimmsten wirtschaftlichen und politischen Krise seit über dreißig Jahren: Die Währung verlor über 70 Prozent ihres Wertes, 90 Prozent der indonesischen Unternehmen sind nach Schätzungen von Ökonomen in Jakarta „technisch bankrott“. Banken geben keine Kredite mehr. Die staatlichen Strom-, Gas- und Ölunternehmen sind ebenfalls in Zahlungsschwierigkeiten. „Bald werden die Lichter ausgehen“, prophezeite ein Banker.

Bislang waren die indonesischen Vizepräsidenten weitgehend machtlos. Das soll sich sich jetzt ändern. Wenn Suharto in den nächsten Tagen sein neues Kabinett vorstellt, wird Habibie voraussichtlich die Oberaufsicht über Wirtschaft und Finanzen, Sicherheitsfragen, Politik und Soziales erhalten, die bisher bei vier Schlüsselministerien lag. Damit fiele ihm die Rolle eines Premierministers zu.

Eng verbunden mit dem Präsidenten ist Habibie, der neben mehr als zwei Dutzend weiteren Ämtern unter anderem in der Flugzeug-, Schiffbau- und Rüstungsindustrie auch den Vorsitz des einflußreichen „Verbandes Islamischer Intellektueller“ (ICMI) innehat, seit der Jugend, als der Soldat Suharto in seiner Heimatstadt auf Sulawesi gegenüber dem Haus der Habibies stationiert war. Suharto holte den umtriebigen Ingenieur 1978 ins Kabinett. Mit seiner Vision, Indonesien innerhalb weniger Jahre vom armen Agrarland ins High-Tech-Zeitalter zu katapultieren, entzückte Habibie den Präsidenten. Doch seine zahlreichen Projekte – vom Riesenstahlwerk Krakatau über den gigantischen Flughafen in Batam unweit von Singpur bis zum nationalen Flugzeug – verschlangen ungeheure Summen aus der Staatskasse. Eine Kontrolle gab es nicht. „Kein einziges der Projekte Habibies rechnet sich“, sagt ein Banker.

Die alte Freundschaft hat sich für den Minister auch geschäftlich ausgezahlt: Seine Familie kontrolliert laut Asian Wall Street Journal 83 Unternehmen und ist an mehreren Firmen der Suhartos beteiligt.

Paradoxerweise ist der Aufstieg Habibies weniger ein Beweis für politische Stärke als vielmehr für seine große Schwäche: bedingungslose Loyalität. Suharto kann Widerspruch auf den Tod nicht ausstehen. Von Habibie braucht er nichts zu befürchten: „SGS“ – Supergenie Suharto – nennt der Minister, der bereits drei Bypass-Operationen hinter sich hat und derzeit gesundheitlich wieder angeschlagen sein soll, seinen Chef. Neben den Kindern Suhartos gehört er zu dem immer kleiner werdenden Kreis von Leuten, die der Präsident heute um sich haben mag und denen er traut.

Die Ernennung Habibies zeigt zugleich, wie mächtig Suharto noch ist: Denn der neue Vize ist sowohl im einflußreichen Militär als auch unter in- und ausländischen Geschäftsleuten umstritten. Viele Generäle mögen ihm nicht verzeihen, daß er Suharto vor ein paar Jahren überredete, Bonn 39 alte DDR-Kriegsschiffe abzukaufen, die dann für über eine Milliarde Dollar umgerüstet werden mußten – für das Geld hätten sie nagelneue Schiffe haben können.

Oppositionelle erinnern sich nur zu gut daran, wie Habibie damals dafür sorgte, daß die populäre Zeitschrift Tempo und zwei weitere Magazine schließen mußten, weil sie es gewagt hatten, das Geschäft zu kritisieren.

Als Habibies Kandidatur im Januar erstmals bekannt wurde, reagierte die Wirtschaft entsetzt – die Rupiah verlor innerhalb eines Tages mehr als ein Viertel ihres Wertes. „Einen bösen Scherz“ nannte ein Abteilungsleiter bei einem großen indonesischen Finanzinstitut die Beförderung des Ministers.

Doch während sich in Jakarta Bürgerrechtler, Akademiker und Geschäftsleute über das Präsidentengespann Suharto-Habibie die Haare raufen, gibt es immer noch Leute, die treu zu ihm halten: die Bonner Regierung und ihre Diplomaten in Jakarta.

Sie reiben sich vor Freude die Hände, weil sie sich mit einem Vizepräsidenten Habibie noch bessere Geschäfte für deutsche Unternehmen versprechen. Sie streuen deshalb, daß Habibie eigentlich ein politischer Reformer ist, der zum Beispiel die Amtszeit des Präsidenten auf zwei Legislaturperioden begrenzen will.

Bonns bedingungslose Unterstützung des autoritären Regimes verwundert inzwischen Oppositionelle und Geschäftsleute. Ein ehemaliger Regierungsberater: „Warum setzt Kanzler Kohl auf einen Clown?“ Jutta Lietsch, Jakarta

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