: Back from the Black
■ Die Blaxploitation-Ikone Pam Grier und ihr Comeback
Weihnachten letzten Jahres wurde Pam Grier als Schauspielerin wiedergeboren. Es war die ultimative Zusammenkunft aller derzeit denkbaren Formen cineastischer Coolness: Vordergründig präsentierte Quentin Tarantino am heiligsten aller Tage mit Jackie Brown bloß seinen neuen Film. In Wahrheit aber pries der Halbgott des ultrahippen Neo-Violence-Kinos der Welt seinen neuen Star: Pam Grier.
Hervorgekramt aus dem unerschöpflichen Archiv amerikanischer Kinogeschichte, hatte Tarantino den angestaubten Star-Nimbus der 48jährigen auf Hochglanz poliert, indem er die einstige B-Movie-Queen mit Einverständnis der anderen Hauptdarsteller – Samuel L. Jackson, Bridget Fonda und Robert De Niro – an die Spitze der Besetzungsliste hievte. Doch so verwunderlich dieser Akt selbstloser Zurückhaltung seitens der Weltstars gewirkt haben mag: Letztlich ist er einem Kalkül entsprungen. Seit der wundersamen Wiederbelebung von Ex-Disco-Zauberer John Travolta in Pulp Fiction bilden derlei Mätzchen einen festen Bestandteil in der Personalpolitik des Filmemachers.
Daß es im Fall Jackie Brown Pam Grier getroffen hat, liegt vor allem an Tarantinos aggressiver Kultivierung der eigenen Jugend. Dank seiner bekannten Vorliebe für alle möglichen Trash- und Exploitation-Ikonen finden viele dieser vergessenen Helden in Tarantinos Inszenierungen Unterschlupf. Man denke nur an den Gastauftritt von Special-Effect-Meister Tom Savini in From Dusk Till Dawn. Auch Pam Grier ist eine Statthalterin in Sachen Sub-Kultur. In den Siebzigern drosch sich die Amerikanerin als eine der wenigen Vertreterinnen des „Blaxploitation“-Fachs nachhaltig in die Kinogeschichte hinein. Blaxploitation, das war, basierend auf der Ideologie der „Black Power“, schwarz-amerikanisches Filmgut, identitätsstiftende B-Movie-Kultur. Auf den ersten Blick oft nur schwer zu ertragendes Macho-Kino, kurzlebige Epen, in denen (schwarze) Frauen den Film zwar als Protagonistinnen bestimmten, aber durch ihren begrenzten Handlungsradius nie mehr wurden als ein dramatisierter Selbstverweis: zuerst das geschundene und vergewaltigte Opfer, dann der grausame Rache-Engel in eigener Sache. Das war Anti-Heldentum pur, und am Ende stand immer die Zerstörung des Übels durch Gewalt.
In dieser bewußten Reduzierung der Mittel ähnelten die Blaxploitation-Werke ebenso abseitigen wie mißverstandenen Film-Genres jener Zeit: Herschell Gordon Lewis war mit seinen frühen Splatter-Szenarien kein Gewaltverherrlicher, sondern der Punk unter den Horror-Regisseuren, und die grausamen Italo-Western spielten fast zeitgleich ihr fatalistisches Lied vom Ende des westlichen Humanitätsverständnisses. Diese Sub-Genres betrieben ein Kino der von den Majors ausgeschlossenen Themen. Rassismus, Sexismus und Gewalt wurden nicht mehr durch ihre bloße Andeutung als Handlung verdrängt, sondern eben durch die explizite Ausreizung unmittelbar thematisiert.
Pam Grier trug ebenfalls ihren Teil zum Entwurf eines Gegenmodells bei. Mag eine Emma Peel noch elegant Handkantenschläge verteilt haben – wenn Pam Grier den Revolver aus ihrem Polyester-Decolleté zog und Feinden ins Gesicht schoß, war Schluß mit lustig. Sie war „super bad“. In nur 15 Jahren knallte Pam Grier in 20 Filmen ihren Peinigern gehörig einen vor den Latz. Coffy, Sheba Baby, Foxy Brown – von ihr verkörperte Heldinnen erzählten die Geschichten von Frauen, die nach erduldetem Leid über männliches Unrecht und Libido triumphierten. Das Rache-Repertoire reichte vom Kopfschuß über Kastration bis zur Pfählung.
Diese comichafte Überzeichnung von Gewalt hat Pam Grier einen anhaltenden Ruf bereitet. In den USA hat der Erfolg von Tarantinos Jackie Brown die Produktionsfirma MGM immerhin veranlaßt, mit Coffy und Foxy Brown zwei ihrer wichtigsten Filme unter dem Sammeltitel Soul Cinema auf Video herauszubringen. Ergänzend hierzu liest sich The Big Dollhouse: Es ist einer ihrer Gefängnis-Reißer. Mies und meisterlich.
Oliver Rohlf
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