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Ökonomie einer Pflanze

■ Wie viele Arbeitsplätze und Umsatz Hanf hervorbringt, ist nur ansatzweise erfaßt

Rohstoff der Zukunft: Dieses Schlagwort wird dem zarten Pflänzchen Cannabis häufig zugeschrieben. Doch wie viele Arbeitsplätze und wieviel Geld die junge Hanfwirtschaft insgesamt tatsächlich abwirft, weiß niemand genau. „Einige hundert“ Arbeitsplätze gibt es im Nutzhanfbereich, sagt Michael Karus, der Leiter des nova-Instituts für politische und ökologische Innovation GmbH: „In diesem Sektor wurden 1997 schätzungsweise rund 50 Millionen Mark umgesetzt.“

Die von einigen Medien veröffentlichten Zahlen von weit mehr als 10.000 Arbeitsplätzen im Hanfbusineß sind zur Zeit ganz offensichtlich eher Wunschdenken als Realität. Die tatsächliche Wirtschaftskraft des Hanfmarktes ist bisher noch nicht empirisch erfaßt worden. „Auch wenn eine detaillierte Erfassung schwierig ist und Geld und Zeit kostet, sollte sie demnächst durchgeführt werden. Auf Dauer braucht der Absatzmarkt klassifizierte Zahlen“, sagt Frank Zander, Geschäftsführer der Tri Tec GmbH. Die Gesellschaft ist Veranstalter der Internationalen Cannabusiness, der „weltweit größten Leistungsschau des Hanfmarktes“. Im „Mikrokosmos Cannabusiness 1996“ hat die Tri Tec auf Basis einer statistischen Erhebung unter den anwesenden Händlern erstmals Zahlen über die Wirtschaftskraft des Hanfmarktes ermittelt. „Die Zahlen sind zwar nicht sattelfest, aber ein erster Orientierungswert“, so Zander. Für 1997 lassen sich demnach folgende grobe Schätzwerte über das ökonomische Potential des Hanf festhalten: Der Genußhanfsektor ist demnach im Vergleich zum Nutzhanfsektor wirtschaftsrelevanter. Knapp 1.000 Firmen tummeln sich auf dem Markt rund um den Kifferbedarf. Laut der Tri-Tec-Schätzung gibt es bundesweit jeweils etwa 400 Head- und Grow-Shops, in denen rund 2.000 Arbeitskräfte beschäftigt sind. Etwa 105 bis 140 Millionen Mark wurden im Bereich Paraphernalia 1997 umgesetzt, alle Sektoren von der Produktion über den Groß- bis zum Einzelhandel einberechnet. Der größte Teil entfiel dabei auf den Einzelhandel mit geschätzten 75 bis 100 Millionen Mark Umsatz. Im Bereich Treibhaustechnik lag der Umsatz sogar noch höher: „Nach unseren Berechnungen wurden in diesem Bereich letztes Jahr insgesamt etwa 165 bis 190 Millionen Mark umgesetzt“, so Zander. Die Umsatzzahlen im Mediabereich lagen 1997 etwa zwischen 8 und 11 Millionen.

„In zunehmend mehr Kaufhäusern werden Artikel aus Hanf angeboten, und auch die Industrie zeigt vermehrtes Interesse am Hanf“, sagt Peter von Lobenthal, einer von vier Geschäftsführern der HanfHaus GmbH in Berlin. 1998 werden wir schwarze Zahlen schreiben und rechnen damit, einen Umsatzzuwachs von 30 Prozent zu erreichen.“ Im Gründungsjahr 1993 hatte die HanfHaus GmbH 150.000 Mark Umsatz, bis 1997 stieg der Umsatz auf 2,8 Millionen Mark an. Lobenthal: „In den 15 Hanfhäusern in Deutschland sind etwa 50 Arbeitsplätze neu geschaffen worden.“ Die neugegründete Treuhanf Investitionsgesellschaft mbH & Co KG Sachsen-Anhalt will im Rahmen eines Expo 2000-Projekts mit Hilfe neuer Ernte- und Aufschlußtechniken einen ökologischen und gleichzeitig preiswerten Dämmstoff entwickeln. Treuhanf- Chef Matthias Schillo: „Rund sechs Millionen Mark werden in dieses Projekt investiert; zehn neue Arbeitsplätze werden entstehen.“

Bei der Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe (FNR) in Gülzow, Mecklenburg-Vorpommern werden die ökonomischen Potentiale von (Nutz)hanf weitaus skeptischer eingeschätzt. Die FNR wird vom Bundeslandwirtschaftsministerium finanziert. Stefan Mann, Referent für Öffentlichkeitsarbeit bei der FNR: „Hanf hat gegenüber anderen nachwachsenden Rohstoffen nur in wenigen Bereichen Vorzüge aufzuweisen. Er wird auch in nächster Zukunft nur ein Nischendasein fristen.“ Volker Wartmann

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