Traumanschlag

■ Der israelische Schriftsteller Yoram Kaniuk liest aus „Das Bild des Mörders“

Die junge israelische Pressefotografin Hadar erwacht schockiert aus einem Traum, der sie tagelang kaum zur Normalität zurückfinden lassen wird. In derselben Nacht explodiert in einem Café eine Bombe, in dem sie eigentlich verabredet war. Die Bilder des Anschlags erinnern sie an ihren Traum. Einen politischen Hintergrund scheint es nicht zu geben; niemand bekennt sich zu den Morden. Ihre eigenen Recherchen führen sie immer wieder zu sich selbst.

Mit seinem neuen Buch Das Bild des Mörders betritt der israelische Schriftsteller Yoram Kaniuk ihm unbekannte literarische Gefilde: Zum ersten Mal hat der 67jährige Künstler ein Thriller geschrieben. Und zum ersten Mal befaßt er sich nicht mit seiner Haßliebe zu Deutschland und dem israelisch-arabischen Konflikt. Trotzdem sind die Charaktere auch in Das Bild des Mörders so komplex und zuweilen geradezu unheimlich tiefgründig wie in seinen früheren Werken, etwa Bekenntnisse eines guten Arabers oder Der letzte Jude.

Atemlos begibt man sich mit der Protagonistin auf die Suche nach des Rätsels Lösung, Antworten für die sich immer bedrohlicher auftürmenden Fragen. Einsamkeit und Verwirrung sind mit einer schnellen Handlung verwoben. Die Schlinge legt sich immer enger umden Hals der Fotografin.

„Ich habe das Gefühl, ein ewiger Fremder zu sein, ein Flüchtling in mir selbst“, sagte Kaniuk einmal. Und dieses Gefühl zieht sich auch durch das Buch. Gerade wegen seiner rücksichtslosen Ehrlichkeit, seiner Ambivalenz – zu Israel, zu Deutschland, zu sich selbst – und der existenziellen Fragen, die er aufwirft, halten viele Literaturkritiker ihn für den besten Schriftsteller Israels, auch wenn andere, wie Amos Oz, berühmter sind.

Sehr oft ist Kaniuk in Deutschland gewesen, dem Land, mit dem er einerseits über die Goethe-Liebe seines Vaters, andererseits mit der Ermordung seines Onkels durch die Nazis verbunden ist. Er führe einen einseitigen Dialog mit den Deutschen, sagt er oft. „Ich habe mein ganzes Leben lang diesen Dialog versucht, aber es ist mir einfach nicht geglückt.“

Silke Mertins

Yoram Kaniuk: „Das Bild des Mörders“, List Verlag, München 1998, 319 Seiten, 39.80 Mark; Lesung: heute, 20 Uhr, Literaturhaus