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Beschuppte Chemiecocktails aus der Elbe

Fische durch Schiffsfarben stark belastet. Umweltbehörde fördert Bioanstrich  ■ Von Achim Fischer

„Schon problematisch“seien Giftrückstände in Hamburger Fischen, gestand gestern Umweltsenator Alexander Porschke (GAL). Eine der Belastungsquellen sind Unterwasseranstriche von Schiffen. Die Umweltbehörde versucht nun in einem Kooperationsprojekt, Alternativen zu den bisherigen Gift-Farben zu entwickeln.

Aale, Brassen und Barsche, die 1995 und 1996 in Hamburg gefangen wurden, enthielten alles, was Landwirtschaft und Chemie den Flüssen und Meeren bieten: Pestizide, etwa das berüchtigte DDT, sowie deren Abbauprodukte, außerdem Dioxine, dioxinähnliche PCB-Verbindungen oder giftige Bestandteile von Weichmachern.

„Schon problematisch“sind nach Einschätzung des Senators vor allem die Belastungen mit dem Wachstumsgift TBT. Es sorgt als Bestandteil sogenannter Antifouling-Farben dafür, daß sich keine Algen, Muscheln oder Schnecken am Bootsrumpf festsetzen und das Schiff bremsen. Damit sie ihre abweisende Wirkung entfalten können, sind die Anstriche so „konstruiert“, daß ständig TBT freigesetzt wird – die Schiffe hinterlassen, wo sie fahren und liegen, eine Giftfahne.

Zwei Milligramm TBT pro Kilogramm Lebendgewicht hat das Umweltbundesamt bei Schnecken im Wattenmeer gemessen. Der Hormonhaushalt der Tierchen geriet durcheinander, viele Schnecken wurden steril. In Hamburger Fischen wurden noch höhere Werte gefunden, etwa im Hafen.

Zusammen mit der städtischen HADAG – der Betreiberin der Hafenfähren – sowie der Umweltorganisation WWF und mehreren Farbenherstellern soll das Umweltlabor LimnoMar jetzt umweltverträgliche Alternativen entwickeln. Die HADAG-Fähre „Neuenfelde“hat deshalb in den vergangenen Tagen einen Anstrich mit sieben giftfreien Farben erhalten. Das Umweltlabor will untersuchen, wie stark die neuen Farben den Bewuchs hemmen können und ob sich etwaiger Belag durch Bürsten oder Dampfstrahler beseitigen läßt.

Wie häufig Handelsschiffe in Öko-Farben künftig zum Streichen und Bürsten müssten, wie lange die Zwangspause dauert oder was sie kostet, konnten die Beteiligten gestern noch nicht abschätzen. „Aber wir können, auch wenn das Kosten- oder Zeitproblem noch nicht klar ist, doch nicht einfach so weitermachen wie bisher“, verteidigte Porschke die Pläne und kündigte an, sich „für notwendige überregionale Regelungen einzusetzen“. WWF-Meeresbiologin Patricia Cameron mußte bei ihren Forderungen weniger vorsichtig sein als ein real regierender Senator. „Die einzige Lösung des Problems“, so die Umweltlobbyistin, „bietet ein weltweites Verbot von TBT und ähnlichen Stoffen“.

Die Umweltbehörde empfiehlt Hamburger Anglern unterdessen: nicht mehr als vier Fischmahlzeiten pro Monat. Schwangere sollten auf die beschuppten Chemiecocktails aus Elbe, Alster und Bille gänzlich verzichten.

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