: Keine Kraft mehr zu rein gar nichts
■ „Dead-Line“im Schlachthof: Die Geschichte eines jungen Selbstmörders
Timo ist tot. Während seine Clique auf einer Karnevalsfete Löcher aus dem Käse fliegen läßt, fährt Timo Skateboard. Einem großen Lastwagen entgegen. Frontal. Mr. Dead (Thede Domeyer), ein weißgesichtiger Zyniker mit einem Faible für Zigarren, Whisky und Leichenberge, begrüßt Timo (Stefan Weisfeld) an der Schwelle zum Totenreich. Der Herr hat Humor: Wenn Timo ein Computerspiel gegen ihn gewinnt, darf er für einen kurzen Moment zurück zur Erde, um Petra (Agnes Bulek) zu sehen. Seine Freundin, die irgendwo in Walle sitzt und nicht versteht, wieso er lieber sterben als mit ihr zusammen sein wollte. Timo siegt – Computer sind seine große Leidenschaft –, doch zurück auf der Erde bleibt er, was er schon im Leben immer war: Ein Unverstandener, dem tristen Leben nicht gewachsen.
„Dead-Line“, Michael Harres und Jens Werners szenische Collage über den Freitod eines 18jährigen, montiert gelungen Videosequenzen und Theaterszenen zum verstörenden Bild einer Tragödie. Gemeinsam mit neun LaienschauspielerInnen haben die beiden Mitarbeiter des Kulturzentrums Schlachthof Timos Weg in den Selbstmord als eindringliche Collage aus nachträglichen Reaktionen der Clique und Rückblenden auf Timos Biografie dargestellt. Schlüsselszenen – der Streit im Elternhaus, ein falsches Wort unter bierseligen Freunden auf dem Campingplatz – deuten an, aber erklären nicht, wieso Timo sterben wollte.
„Das Leben soll aufhören, so ein Haufen Scheiße zu sein“, schreibt Timo frustriert in seinem Abschiedsbrief. Man ahnt mit der Zeit, was er damit meint. Ebenso wie die FreundInnen mehr oder weniger deutlich ahnen, wo sie hätten eingreifen können, um dem eigenbrödlerischen, einsamen und verschlossenen Jungen zu helfen. Doch nun geht das Leben geht für alle weiter. Auch ohne Timo. zott
Letzte Aufführung von Dead-Line: Heute abend, 20.30 Uhr, Schlachthof
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