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Zögerlich entfalteter Bilderreigen

■ Sommertheater auf Kampnagel: Die spanische Compania Mal Pelo tanzte Episoden

Die skurrilsten Momente sind zugleich die schönsten. So etwa wenn der einsame Mann auf einem Kinderdreirad, das zugleich eine clowneske Flugmaschine ist, traurig im Kreis fährt – und hinter ihm die am Dreirad angebrachten Stummelflügel noch trauriger zu flattern beginnen. Oder wenn, im zweiten des vier kurze Stücke umfassenden Programms, der Cellospieler plötzlich ungelenk über die Bühne zu hopsen und kehlig zu gurren beginnt, während ihm das gelenkige Tanzpaar hinter einem Requisit verschanzt zusieht.

Seit Dienstag präsentiert sich die junge spanische Tanztruppe Compania Mal Pelo im Rahmen des Internationalen Sommertheaters auf Kampnagel. Und es ist ein leichtes, aus dem sich in ihrem Programm Dol/Zarco wie zögerlich, dann aber eben doch sich entfaltenden Bilderreigen einige Bilder herauszugreifen und sie aufzählend eins nach dem anderen zu beschreiben. Einen übergeordneten Gesichtspunkt zu finden, der alle Szenen umgreift, das fällt schon schwerer. Handelt es sich um moderne spanische Folklore? Geht es um Slapstick? Oder um romantische Seelensucherei? Drehen sich die Szenen überhaupt um ein im Spanischen verwurzeltes Projekt, oder rafft die Truppe nicht von überallher Einflüsse zu einer folglich als Briccolage zu beschreibenden Bildersprache zusammen?

Versuchen wir es gar nicht erst mit der Etikettierei. Bleiben wir bei den Einzelheiten. Im nachhinein fallen einem erstaunlich viele ein bei diesem Programm, das man beim Sehen insgesamt doch eher als spannungslos und mehr als nett denn tatsächlich als berührend empfunden hat.

Da sind zum Beispiel die Bewegungen der Annäherung und Abstoßung zwischen Tänzer und Tänzerin im zweiten Kurzstück, die einem neben einem Schmunzeln auch ein Wissen schenken: Ja, das können die Spanier! Und da ist dann konträr dazu der Tonfall des Cellisten, der im vierten Stück die Geschichte, die das Tänzerpaar gleichzeitig pantomimisch darstellt – es geht um einen tumben Mann, eine dicke Frau und irgendwie um Meer und Fische –, merkwürdigerweise auf italienisch erzählt. Von den rührend unbeholfenen Flugversuchen im ersten Stück haben wir schon gesprochen. Nicht unerwähnt sollte bleiben, daß der Solotänzer in einer Szene dieser Episode vor einem leeren Vogelbauer steht, den er in einer unverständlichen Kunstsprache anschreit. Und in der dritten Episode flattert ein rotes Kleid, das die darin befindliche Tänzerin rasend im Kreise zu drehen scheint.

Momente halt. Nicht mehr.

Dirk Knipphals

Noch heute, 21.30 Uhr, K1

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