Großer Zinken zum Selberschneuzen

■ Direkt ins Herz: „Cyrano de Bergerac“ohne Kitsch im Altonaer Theater

Wenn jemand nur „Nase“sagt, wird er zum wütenden Schlächter. Daß der sensible Poet mit dem riesigen Zinken selbst beim Hauen und Stechen geistreiche Verse dichtet, macht ihn zum gefürchteten Helden – aber geliebt wird er dafür nicht.

Weder klamottig noch angestaubt hat Axel Schneider Edmond Rostands Drama der lebenslangen Romanze von Cyrano de Bergerac zu seiner Cousine Roxane, die nur im Geiste ihre Erfüllung findet, auf die Bühne des Altonaer Theaters gebracht. Trotz der gelungenen Fechtszenen inszeniert er eher eine spannende Liebesgeschichte als eine wortreiche Mantel-und-Degen-Komödie. Von wenigen Längen abgesehen, schaut man drei Stunden gebannt der Tragödie zu – zum Schluß gar durch einen Tränenschleier.

Es ist aber auch alles zu traurig: Nur weil Cyrano diese gewaltige Nase im Gesicht herumtragen muß, glaubt er, nie geliebt werden zu können. Und tatsächlich verliebt sich Roxane in das hübsche Gesicht eines anderen. Um der Angebeteten wenigstens geistig nahe zu sein, sekundiert Cyrano dem nicht gerade wortgewaltigen Christian beim poetischen Liebegeflüster. In einer so amüsanten wie ergreifenden Szene steht Franz-Joseph Dieken als Cyrano unter dem nächtlichen Balkon von Roxane (Astrid Kohrs) und flüstert seinem Konkurrenten (Fritz Bleuler) blumige Worte ins Ohr, die dieser stotternd weitergibt. Schließlich spricht Cyrano im Schutz der Dunkelheit selbst zur Gebliebten: Mit sanfter Stimmer verführt er sie im geistreichen Dialog zum Kuß – den Christian in Empfang nehmen darf.

Nach einem etwas hektischen Anfang bringt Franz-Joseph Diekens erster Auftritt schlagartig Ruhe ins konfuse Treiben. Vor allem seine Stimme fesselt. Mal kommen die Wortkaskaden im Versmaß schneidend klar, laut und kräftig, dann flüstert er fast tonlos, schmeichelt und zischelt. Astrid Kohrs als Roxane überzeugt als selbstbewußte junge Frau, die alles will und alles bekommt: Schönheit und Geist. Den Schönling, der unter seinem mangelnden Ausdrucksvermögen leidet, spielt Fritz Bleuler mit ruhiger Selbstverständlichkeit.

Und Hans Winkler unterstreicht mit seiner so schlicht wie schön gestalteten Bühne, die von milchig-transparenten Vorhängen unterteilt wird, das Poetische der Inszenierung, die nie ins Kitschige abgleitet. Viele Bravos für eine Aufführung, die direkt ins Herz geht. Und zum Naseschneuzen animiert.

Karin Liebe

bis 18. April (nicht tägl.), 20 Uhr