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Regierungswort darf enttäuschen

■ Parlament kann auch rückwirkend Gesetze ändern: Bundesverfassungsgericht gibt große Freiheiten

Freiburg (taz) – Wenn Steuergesetze mit Rückwirkung geändert werden, können sich BürgerInnen und Unternehmen nicht auf das Wort der Regierung verlassen. Dies entschied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem am Freitag bekanntgemachten Beschluß. Nur der Verfassungsrichter Kruis widersprach in einem geharnischten Sondervotum. In dem Streit ging es vordergründig um sogenannte „Zahnarzt-Schiffe“, das Problem läßt sich jedoch verallgemeinern.

Gutverdienende können schon seit Jahren Steuern sparen, wenn sie in Seeschiffe investieren. Immer häufiger profitierten von dieser Regelung jedoch Werften in Süd-Korea und Japan, weil die deutschen Schiffsbauer im Preis nicht mithalten können. Ende 1996 wurde diese Vergünstigung deshalb stark beschnitten. Nur noch bis Ende 1998 können ZahnärztInnen und andere Großverdiener auf diesem Wege Steuern sparen, außerdem – und das war der springende Punkt – kann steuermindernd nur in Schiffe investiert werden, die vor dem 25. April 1996 bestellt wurden. Als Stichtag wurde dieses Datum gewählt, weil an jenem Tag die Bundesregierung das baldige Ende der Subvention angekündigt hatte. Allerdings: Die regierungsamtliche Ankündigung hatte als letztmöglichen Bestelltag den 1. Mai in Aussicht gestellt. Natürlich wurden dann zwischen dem 25. April und dem 1. Mai schnell noch einige ohnehin unterschriftsreife Verträge unterzeichnet.

Solche „Torschluß“-Transaktionen gefielen dem Bundestag jedoch gar nicht, so daß er den angekündigten Stichtag einfach auf den 25. April vorverlegte. Die Folge: Mehrere Reedereien müssen nun Schiffe finanzieren, für die sich ZahnärztInnen und andere Finanzjongleure nicht im geringsten interessieren werden, weil es keine Subventionen mehr gibt. Eine der Kapitalsammelstellen fühlte sich so gelinkt, daß sie Verfassungsbeschwerde erhob. Ohne Erfolg.

Auch wenn die Bundesregierung nur eine Rückwirkung auf den 1. Mai angekündigt hatte, sei eine Vorverlegung des Stichtags möglich gewesen, urteilte die Mehrheit des Senats. Die Regierung könne dem Parlament schließlich nicht vorschreiben, was es zu tun und zu lassen habe. Nur Verfassungsrichter Kruis sah dies anders. Seiner Auffassung nach hätte der Bundestag das Vertrauen der Unternehmen in das Regierungswort achten müssen. „Der Staat muß sich gerade in einer Zeit, in der durchgreifende und rasche Reformen anstehen, an den Erklärungen seiner leitenden Organe festhalten lassen.“Az.: 2 BvR 882/97Christian Rath

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