piwik no script img

Schneller surfen: Der unsichtbare Dritte

■ Microsoft und Netscape führen ihren Browserkrieg auch auf der CeBit weiter. Die Monsterprogramme brauchen immer größere und teurere Rechner. Dabei zeigt der Browser "Opera" aus Norwegen, daß es auc

Opera – mit diesem Wort sind in Jahrhunderten gewachsene Musikkultur, Perfektion und Qualität vebunden. Wenn sich ein Computerprogramm anmaßt, diesen Namen zu führen, dann muß es sich gefallen lassen, sehr genau unter die Lupe genommen zu werden. Ganz besonders, wenn es sich um einen Browser handelt – zu oft haben sowohl der Netscape-„Navigator“ als auch Microsofts „Internet Explorer“ mit vielen kleinen und großen Fehlerchen die User an den Rand des Wahnsinns getrieben.

Aber wie bei Verdis „Die Macht des Schicksals“ beginnt die Ouvertüre gleich mit einer Fanfare: Wo man von Netscape und Microsoft gewohnt ist, bei den Updates jedesmal 9 bis 25 Megabyte aus dem Netz zu schaufeln, sind es hier gerade mal 1,2 Megabyte – das paßt auf eine einzige Diskette.

Mehr braucht man wirklich nicht – abgesehen von einem Programm, mit dem man E-Mail auch empfangen kann. Opera ist ein Browser. Das bedeutet, daß dieses Programm HTML-Seiten aus dem Netz holt und auf dem Bildschirm darstellt. Das ist alles. Aber das macht es verdammt schnell – so schnell, daß die Annahme, bei einer flotten Internet-Verbindung sei nur noch das Modem oder die ISDN-Karte der bremsende Flaschenhals, nicht mehr so recht zu stimmen scheint. Hotwired-Kolumnist Paul Boutin hat das auch nicht geglaubt und nachgemessen: Im Vergleich zu den beiden anderen war Opera um das Anderthalb- bis Vierfache schneller.

Das bedeutet einerseits, daß die beiden Marktführer so viel Systemressourcen (unter anderem Rechenzeit) mit dem Interpretieren von HTML-Code und dem Bildschirmaufbau vergeuden, daß das Modem mitunter warten muß. Und das kostet Nerven und Geld. Andererseits heißt das aber auch, daß uralte 386er mit vier Megabyte Arbeitsspeicher und kleiner Platte unter Windows 3.1 durchaus noch internetfähig sind – allein für das Internet braucht sich niemand einen neuen Rechner anzuschaffen. Auch Laptop-Journalisten sind begeistert von diesem Browser: klein, handlich, und wenn man draufklickt, ist er sofort da.

Dieses Tempo erreicht man nur, wenn schon beim Programmieren darauf hingearbeitet wird. Die Entwickler von Opera verzichteten deshalb auf die Funktionsbibliotheken (DLL = Dynamic Linking Library), wie sie die Hersteller gängiger Programmiersprachen wie Borland oder Microsoft mit „C++“ liefern. Sie enthalten eine Vielzahl von Funktionen, von denen aber meist nur ganz wenige tatsächlich gebraucht werden. Geladen werden die DLLs trotzdem – der Rechner wird damit unnötig ausgebremst. Besonders die Programmierwerkzeuge von Microsoft, aber auch Windows selbst haben der Firma deshalb den Ruf eingebracht, Weltmeister im Vergeuden von Ressourcen zu sein.

Jon von Tetzchner, der die erste Version des Opera-Browsers schon 1994 für die norwegische Telekommunikationsgesellschaft Telenor mit entwickelte, schreibt sich seine Bibliotheken lieber selbst. So vermeidet er Fehler, für die er nicht verantwortlich ist – und vor allem gibt es keine einzige überflüssige Funktion. Weil er unabhängig bleiben wollte, benutzte er weder die Bibliotheken der Microsoft Foundation Class (MFC) noch die von Borland. Das Selberschreiben macht zwar ein bißchen Arbeit – aber das Ergebnis ist ein Browser, der inzwischen fast alles kann, was die anderen können, nur daß er viel kleiner und schneller ist.

Ein paar kleine Einschränkungen gibt es dennoch: Opera unterstützt zwar Javascript – eine Scriptsprache, die von Webdesignern gern für Animationen, Ticker und kleine Spielchen benutzt wird –, jedoch kein echtes Java. Auch dann nicht, wenn die zur Ausführung von Java erforderlichen DLLs bereits durch einen anderen Browser installiert wurden. Bei Netscape sind das 3,17 Megabyte, bei Microsoft gar 6,5. Auch bei Active-X und dem neuen „Dynamic HTML“ muß Opera passen. Puristen ficht das nicht an, sie halten derartige Erweiterungen ohnehin für Firlefanz.

Bei der Darstellung von einfachen HTML-Seiten hält sich Opera streng an die vom W3-Consortium vorgegebenen Standards. Wo beispielsweise eine mit dem Netscape-Composer angelegte Tabelle samt Überschrift im Navigator und auch im Microsoft-Explorer noch sauber dargestellt wird, zeigt Opera ein heilloses Chaos. Das ist jedoch kein Programmfehler, sondern liegt daran, daß der Composer keinen Code erzeugt, der sich an gültige Standards hält. Programmiert man die gleiche Tabelle „zu Fuß“ in HTML 3.0 oder baut sie im Microsoft-Frontpage- Editor, wird sie von Opera korrekt angezeigt. Derlei Probleme tauchen auch an anderen Stellen auf – etwa wenn mehrere Absätze eingerückt werden sollen. Homepage-Bastler tun gut daran, sich neben einem der beiden Standard- Browser auch Opera zu installieren: Wenn die Seite in Opera gut aussieht, dann wird sie auch auf einem Macintosh- oder Unix-System gut aussehen.

Ein Browser ist am besten, wenn er sich dezent im Hintergrund hält und den Bildschirm frei macht für die Webseiten, die man betrachten möchte. Eine frühe Version von Mosaic konnte das. Später kamen Netscape und Microsoft und müllten den Bildschirm mit allerlei Buttonleisten, Menüs und Statuszeilen voll. Um das in den Griff zu bekommen, erfand Microsoft den „virtuellen Desktop“ – eine mit ungeheurem Aufwand programmierte Oberfläche, die aber die Benutzer noch mehr verwirrt. Opera macht das anders und völlig unprätentiös: Alles, wirklich alles kann abgeschaltet werden. Sogar der Windows- Fensterrahmen und -Titel verschwinden auf Wunsch. Dann ist nur noch die angewählte Website zu sehen, und niemand kommt auf die Idee, daß ein äußerst mächtiges Programm dahintersteckt.

Aber so sind sie halt, die Norweger. Machen den schnellsten Browser der Welt – ohne Millionen- Marketing, ohne CeBit-Präsenz, mit 11 Leuten, die aber den eisernen Willen haben, besser zu sein. Anders als die Konkurrenz müssen sie sich ihr Programm auch bezahlen lassen: Opera kostet 30 Dollar, für Studenten die Hälfte. Die 30-Tage-Testversion gibt es bei www.operasoftware.com – aber die englische Version holen, die ist schöner als die deutsche. Dieter Grönling

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen