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Labours Sparkommissar gibt sich spendabel

■ Bei ihrem Haushaltsentwurf schöpft die britische Regierung Blair aus dem vollen. Nutznießer sind vor allem Geringverdiener mit Kindern

Berlin (taz) – So ändern sich die Zeiten: Den ersten großen Beifall seiner Labour-Fraktion während der Vorstellung des neuen britischen Haushaltsplanes erhielt Finanzminister Gordon Brown, als er die weitere Senkung der Körperschaftssteuern auf 30 Prozent ankündigte – eine klassische wirtschaftsliberale Maßnahme also. Die oppositionellen Konservativen konnten nur noch schweigen.

Der neue Labour-Haushalt ist der erste richtige Haushaltsplan der Regierung Blair; seit ihrem Wahlsieg am 1. Mai 1997 hatte sie bisher nur einen Nachtragshaushalt vorgelegt. Er ist, da waren sich gestern alle politischen Lager einig, ein Geniestreich, der Vorsicht und Spendierfreudigkeit vereint. Wegen überplanmäßiger Steuereinnahmen beträgt das Defizit im zu Ende gehenden Haushaltsjahr nur noch fünf Milliarden Pfund (15 Milliarden Mark) – 1,5 Milliarden Pfund weniger als noch im November 1997 veranschlagt, und ganze 0,5 Prozent des Bruttosozialprodukts. Im Haushaltsjahr 1998/99 soll das Defizit auf vier Milliarden sinken und im April 1999 ganz verschwinden. Diese günstigen Umstände erlauben es Finanzminister Brown, populäre Maßnahmen zu treffen, die Geld kosten.

So wird das Kindergeld um 20 Prozent erhöht – außer der Zuschläge für Alleinerziehende. Gesundheitswesen und öffentliche Schulen bekommen mehr Geld. Vor allem werden im Herbst 1999 nach US-Muster neue umfassende Steuervorteile für arbeitende Familien mit niedrigen Einkommen eingeführt, die den Staat 1,4 Milliarden Pfund (4,2 Milliarden Mark) mehr kosten werden als die bisherigen Direkthilfen. Kernelement davon soll sein, daß bis zu 70 Prozent der Kosten für Kinderbetreuung von der Steuer abgesetzt werden können. Demgegenüber stehen höhere Verbrauchersteuern in ausgewählten Bereichen und eine Verringerung der Steuervorteile für Ehepaare, was vor allem kinderlose Familien betrifft.

Erheblich ausgeweitet werden die Sonderprogramme für Langzeitarbeitslose – der sogenannte „New Deal“ aus Lohnsubventionen und verpflichtender Sonderberatung, der im April landesweit eingeführt wird und bisher nur für Langzeitarbeitslose unter 25 Jahren galt. Lohnsubventionen soll es jetzt auch für Langzeitarbeitslose geben, die älter als 25 Jahre sind, während Sonderberatungen für Arbeitslose über 50 eingeführt werden. Das betrifft insgesamt 225.000 Menschen. Dazu kommen 250.000 Ehepartner von kinderlosen jungen Arbeitslosen, die bisher nicht bezugsberechtigt waren.

Der Labour-Haushalt enthält somit eindeutige soziale Elemente, ohne sich gegen bestimmte Einkommensgruppen zu wenden – ein politisch geschicktes Vorgehen. Die ideologischen Muster sind ebenfalls eindeutig: Steuerabzugsmöglichkeiten und Lohnsubventionen werden gegenüber Wohlfahrtsgeldern bevorzugt, was einen Arbeitsanreiz schaffen soll. Wer hofft, daß mit dem Verschwinden des Haushaltsdefizits in einem Jahr das Paradies ausbricht, sei gewarnt: Brown will einen „Kodex für Haushaltsstabilität“ im Gesetz verankern, der als eine Art nationaler Stabilitätspakt alle zukünftigen Regierungen auf Haushaltsdisziplin verpflichtet. Und Brown nannte auch einen möglichen Konfliktpunkt, als er sagte, die rosige Haushaltsentwicklung hinge davon ab, daß die Inflation niedrig bleibt und nicht das Wirtschaftswachstum gefährdet. „Wachstum in diesem und dem nächsten Jahr hängt von der Lohnentwicklung im kommenden Jahr ab“, sagte er.

Diese klare Warnung des Finanzministers an die Arbeiterschaft, sich zurückzuhalten, kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem die britischen Gewerkschaften ohnehin langsam ungeduldig werden. Denn die Regierung Blair macht derzeit wenig Anstalten, die Gewerkschaftsrechte in der von ihr unterzeichneten EU-Sozialcharta auch tatsächlich in Großbritannien einzuführen. Aber das ist ja nicht mehr Sache des Finanzministers. Dominic Johnson

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