: Ein Jahr Bedenkzeit für den Staatsrat
■ Staatsrat soll behördenunabhängige Regionalforschung nur „verantworten“, nicht selbst leiten. In einem Jahr, wenn in Bremen Neuwahlen zur Bürgerschaft sind, will sich Haller entscheiden
Die Wirtschaftsförderausschüsse haben gestern die Vorlage des Wirtschaftsressorts abgesegnet, nach der der „Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung“(BAW), eine wissenschaftliche Abteilung des Ressorts, in den Technologiepark Universität umziehen soll. In der vergangenen Woche war der Beschluß an den Vertretern der SPD im Ausschuß gescheitert. In einem wesentlichen Punkt wurde die Beschlußvorlage inzwischen verändert: Wirtschaftsstaatsrat Prof. Dr. Frank Haller soll nicht ab sofort und nebenamtlich den BAW leiten. Dies war in der vergangenen Woche noch geplant gewesen.
In der neuen Beschlußvorlage aus dem Hause Haller wird festgestellt, daß erst in „ca. einem Jahr“die Stelle der Leitung des BAW ausgeschrieben werden soll. Dies allerdings nur dann, „wenn nicht die vom Senat beschlossene Rücckehroption in Anspruch genommen wird“. Staatsrat Haller meint hier seine eigene Rückkehroption, die er sich 1987 bei seinem Wechsel in sein derzeitiges Amt vom Bremer Senat geben ließ und die seitdem über allen Leitern des BAW schwebte. Bis der Staatsrat sich entschieden hat, soll der BAW weiterhin auch nur einen „kommissarischer Leiter“haben.
Der bisherige Leiter, Dr. Peter Frankenfeld, der diese Funktion seit Jahren auch nur „kommissarisch“wahrnahm, war gleichzeitig zuständig für EU-Regionalprogramme und der dafür zuständige Referatsleiter der Behörde. Er soll bei der Behörde bleiben, gesucht wird also ein neuer „kommissarischer“für ein Jahr für den neuen Start. Dies wird dem Vernehmen nach die BAW-Mitarbeiterin Dr. Martha Pohl werden. Der nur auf Abruf eingesetzten kommissarischen Leitung wird nun zugetraut, den BAW zu einem „empirisch ausgerichteten regionalwirtschaftlichen Institut“, das behördenunabhängig arbeiten soll, zu entwickeln.
Bisher hatte die Stärke und die Bedeutung des BAW gerade in der engen Anbindung und der personellen Verflechtung mit der Behörde gelegen. Die offizielle Themenliste, die der BAW nach der Beschlußvorlage des Wirtschaftsressorts bearbeiten soll, bleibt dennoch dieselbe wie in der Vergangenheit. Von 14 Wissenschaftlern, die derzeit für den BAW arbeiten, sollen sechs mit an den neuen Standort gehen, acht scheiden aus und werden ganz in die Behörde integriert. Wichtige Kompetenzen, die sich gerade auf die EU-Programme und das Controlling bremischer Wirtschaftspolitik beziehen, werden durch die Halbierung der Mitarbeiterzahl beim BAW schlicht wegfallen.
Obwohl nach dem neuen Konzept der BAW aus der Unabhängigkeit von der Behörde auch gegenüber der EU neue Reputation ziehen soll, wird die alte Struktur einer wissenschaftlichen Einheit als „nachgeordneter Dienststelle“der Behörde erhalten bleiben; der Staatsrat soll „als Chefsache“und „in enger Abstimmung mit der kommissarischen Leitung des BAW“für die Entwicklung der behördenunabhängigen Regionalfoschung „verantwortlich“sein.
Aus der repräsentativen und vollverglasten Dachetage des neuen BAW wird man freien Blick sowohl in das Naturschutzgebiet Hollerland als auch über den Technologiepark haben. In gut einem Jahr, wenn sich Haller entscheiden muß, sind in Bremen Bürgerschaftswahlen, und dann wird auch absehbar sein, ob Haller als Staatsrat bleiben will und soll oder nicht. Die SPD stimmte zu, obwohl sie hinter der in sich widersprüchlichen Planung einen „Versorgungsposten“wittert.
K.W.
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