: Geiler Style, schlechte Welt
Unglamouröser Alltag von Modedesignern: Viele müssen sich mit anderen Jobs über Wasser halten, und selbst wenn der Laden läuft, reicht es kaum für die Miete ■ Von Kirsten Niemann
Völlig unglamourös, in einer abgelegenen, schlecht beheizten Hinterhof-Werkstatt in Berlin-Mitte produzieren Isabel Kruschinski und Ursula Piber unter dem Label- Namen Beam Me Up ihre sportive Damen- und Unisex-Mode: Bekleidung für Club-Gänger und Leute, die Wert auf ein originelles Outfit legen, jenseits von Stangenware.
Den Beginn ihres Schaffens vor über drei Jahren begreifen sie als „Phase zwischen Hobby, Herumexperimentieren und Selbstfindung“. Mit einem befreundeten Designerduo eröffneten sie damals einen Laden für Designermode, was so ziemlich in die Hose ging. „Wir hatten keine Ahnung vom Geschäft“, resümiert Kuschinski. Danach haben sie ihre „Kleidchen in Kreuzberger Boutiquen verscherbelt“, wie sie das formuliert. Und zwar auf Kommissionsbasis: Geld gab's erst nach Verkauf.
Nach erfolgreicher Professionalisierung lassen die beiden Designerinnen heute eine eigene Vertreterin durch die bundesweite Boutiquenlandschaft ziehen. Fast dreißig Läden vertreiben ihre Mode allein in Deutschland. Hinzu kommt je ein Geschäft in New York und Tokio. Doch trotz eines Jahresumsatzes von rund 250.000 Mark und einem prallen Auftragsbuch: „Nach Abzug aller Kosten bleibt zum Leben fast nichts übrig. Unsere Freunde haben sich daran gewöhnt, für die Mietzahlungen zuständig zu sein“, erklärt die 30jährige Kuschinski.
Etwa 100.000 Mark kostet die Herstellung einer Kollektion von der Stoffauswahl bis zur Fertigung bei den brandenburgischen Näherinnen. Die 3.000 Mark Standgebühren, die bei wichtigen Messen wie der Kölner „Interjeans“ anfallen, teilen Kuschinski und Piber sich mit jenem befreundeten Designerduo.
Alleine an den sechs Berliner Modeschulen machen fast 200 Studenten jedes Jahr ihren Abschluß. Wer dann auf Anhieb keine Stelle in der Textilindustrie findet, der versucht, sich auf eigene Faust durchzuschlagen. So schneidern viele oft Einzelstücke für liebgewonnene Kunden und finanzieren sich ihr kreatives Output mit schlecht honorierten Jobs: sie servieren in Cafés oder leiten Schnittkurse für Anfänger in ihren Wohnungen, die meist auch gleichzeitig Werkstätten sind. Die Hauptprobleme für junge Designer liegen in einem fehlenden materiellen Hintergrund, gepaart mit mangelndem Geschäftssinn. „Ihr macht eure Sachen zu billig“ – das erklärt Arno Karge, Händler von Designermoden, den Modemachern immer wieder. Seit zwölf Jahren vertreibt Talentscout Karge in seinem Berliner Laden Molotow vor allem die Waren junger Modemacher. Die Hauptkriterien: die Sachen müssen gut verarbeitet, tragbar und reproduzierbar sein. „In Frankreich und Italien gehört Mode zur Kultur – hier wittert man bei dem Begriff Kultur immer gleich Kunst.“ Die Experimentierfreude unter den Deutschen läßt ebenfalls Wünsche offen, lieber orientieren sie sich an Markennamen: selbst ein modisch eher unbeleckter Fußballspieler weiß, daß er in einem Armani- oder Hugo- Boss-Anzug gut aussieht. „Bei Stücken unbekannter Designer sind die sich oft nicht so sicher.“
Klaus Metz, stellvertretender Geschäftsführer der internationalen Modeschule Esmod in Deutschland, betrachtet den Werdegang vieler Jungdesigner mit Skepsis. Oberstes Ausbildungsziel bei der Privatschule: „Den Studenten klarzumachen, daß sie nicht der große Modestar sind, auf den die Welt nur wartet.“ Für 11.500 Mark Jahresgebühren lernen die Studenten „ein Gespür dafür zu entwickeln, was Stil ist“. Von dem allzufrüh gefaßten Entschluß, sich selbständig zu machen, wird immer wieder abgeraten. Selbst ein Gaultier hatte erst nach neun langen Gesellenjahren seinen Durchbruch. „Auch wenn die fertig sind“, räumt Metz ein, „sind sie doch immer noch Schüler.“
Schon während des Studiums lernen die angehenden Designer, auf allen Hochzeiten zu tanzen. Esmod ist allgegenwärtig, ob als Show-Einlage auf der Möbelmesse, als Schlußlicht auf dem längsten Laufsteg der Welt, dem „Großen Q“, oder mit eigenen Ständen selbst auf den ganz kleinen Modemessen. Workshops mit großen Firmen lehren den Studenten vor allem eines: auf dem Boden zu bleiben. Eine schulinterne Jobbörse soll schließlich sogar den Start in die Berufspraxis erleichtern; 80 Prozent der Absolventen konnten bislang angeblich in einen guten Job oder zumindest in ein international renommiertes Praktikum vermittelt werden.
Auch Isabel Kuschinski hätte direkt nach ihrem Abschluß für Modedesign am Berliner Lette- Verein eine Stelle bei Karen Pfleger in Köln antreten können. „Für kaum mehr als ein Praktikumsgehalt. Kam nicht in Frage!“ entschied die Designerin, die ganz bestimmt nicht unter Starallüren leidet.
Ihr größter Wunsch klingt eigentlich ganz profan: irgendwann nicht mehr ihren ganzen Freundeskreis zur Vorfinanzierung der Kollektion anpumpen zu müssen. Kuschinski: „Ich freue mich, wenn die Leute unsere Sachen gerne tragen – und wir vielleicht mal ganz normal von der Mode, die wir machen, leben können.“ Dennoch: selbst Giorgio Armani war lange Zeit Schaufensterdekorateur, bevor er von seinem Gönner Nino Cerruti als Talent erkannt wurde.
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