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Börsengang für Jungunternehmer

■ Kleine und mittlere Unternehmen können künftig mit dem "Berliner Freiverkehr" an die Börse gehen. So kann Risikokapital beschafft werden. Die lange Prüfung durch die Banken entfällt

Für kleine und mittlere Unternehmen gibt es jetzt eine Möglichkeit, mit ihrem Unternehmen an die Börse zu gehen und damit dringend benötigtes Kapital zu beschaffen. Im „Berliner Freiverkehr“ der Wertpapierbörse können Geldanleger bei Jung- und Risikounternehmen Aktionäre werden. Diese Geldanlage stellte der Geschäftsführer der Berliner Wertpapierbörse, Jörg Walter, am Donnerstag abend bei einer Veranstaltung der Bank für kleine und mittlere Unternehmen zum Thema „Going Public von KMU“ vor. Damit ist der Gang an die Börse für kleinere und mittlere Unternehmen – kurz: KMU – gemeint, eine neue Börsenstrategie zur Risikokapitalbeschaffung.

Zwei Möglichkeiten haben KMU bislang, wenn sie expandieren wollen: Entweder sie nehmen Kredite bei der Bank auf, oder sie wandeln sich in Aktiengesellschaften um, um über die Ausgabe von Aktien Geld zu beschaffen. Doch bislang mußten sich KMU endlosen Prüfungen durch die Banken unterziehen, wenn sie zu Aktiengesellschaften werden wollten. Dies entfällt mit dem „Freiverkehr“.

Beispiele für solche Umwandlungen gibt es noch wenige. Eines ist die Achterbahn AG: Als die Vermarkter des Comic-Stars „Werner“ im Oktober vergangenen Jahres den Börsengang wagten und eine AG gründeten, kassierten sie durch den Verkauf ihrer Aktien 20 Millionen Mark im Freiverkehr der Berliner Wertpapierbörse. Geld, mit dem die Achterbahn AG weitere „Werner“-Filme finanzieren will. Plötzlich wurde die Aktienbeteiligung an Risikounternehmen mit großer Gewinnerwartung populär.

Wie aus einem Zweipersonenbetrieb im Hinterzimmer eines Berliner Reisebüros die Progeo AG wurde, schilderte der Jungkaufmann Uwe Brodtmann. Marktanalysen hätten bestätigt, daß die kleine GmbH mit Leckortungssystemen und Umwelttechnik für Müllhalden eine Marktlücke gefunden habe. Als nach schneller Prüfung durch den Berliner Freiverkehr die Progeo- Aktie vergangegen Oktober auf den Markt kam und mit dem Aktienerlös der frisch gegründeten Progeo AG 13 Millionen Mark Kapital zu Verfügung standen, konnte Brodtmann aufatmen: „Der belastende Druck in einer GmbH, jeden Tag mit allem persönlichen Besitz haften zu müssen, hat sich verringert.“ Mit dem Kapital expandiert die AG nun in den USA und betreibt eigene Forschung. Doch mit der AG entstand neuer Druck. „Anleger rufen sogar bei dir zu Hause an und fragen, warum die Aktie nicht höher steht“, so Brodtmann.

Bisher verweigerten Banken den KMU häufig die Zustimmung zur Gründung einer AG. Mit der Begründung „zu hohes Risiko“ lehnten sie ab oder unterzogen die Unternehmen zeitaufwendigen Prüfungen, kritisierte Marlene Kück, Vorstandsmitglied der Bank für kleinere und mittlere Unternehmen.

Im „Berliner Freiverkehr“ trägt vor allem der Aktienkäufer die Verantwortung: Zwar prüft die Börse die KMU vor einer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft auf „Tauglichkeit“. Doch wo der Aktienkurs der Neulinge, die zumeist in Risikobranchen oder neuen Märkten arbeiten, schließlich landet, ist Aktionärsrisiko. Peter Sennekamp

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