„Ein Auto kaufen“

■ Interview mit Orlando Hernández, Flüchtling und kubanischer Ex-Baseballnationalspieler

Orlando „El Duque“ Hernández (28) war im Dezember vergangenen Jahres auf einem Floß aus Kuba geflohen. Vor wenigen Tagen hat er einen Vier-Jahres-Vertrag bei den New York Yankees über 6,6 Millionen Dollar unterzeichnet. Der Baseballer war in Kuba, wo Baseball vor Fußball unbestritten die Sportart Nummer eins ist, auf Lebenszeit gesperrt, weil er seinem Halbbruder Livan Hernández geholfen hatte, als sich dieser 1995 in die USA absetzte. Livan Hernández, ebenfalls Pitcher, gewann 1997 mit den Florida Marlins die World Series und wurde zum MVP, zum wertvollsten Spieler der Finalserie, gewählt. In der vergangenen Woche flog Orlando Hernández von San José, Costa Rica, aus, wo er sich in den letzten Monate fit hielt, in die USA. Dort soll er zunächst bei einem Minor-League-Klub der Yankees Spielpraxis sammeln, bevor er im Sommer in der ersten Mannschaft einsteigt.

taz: Wie ist es, nach so langer Zwangspause wieder zu trainieren?

Orlando Hernández: Es ist toll, denn die Zeit der Sperre war ziemlich hart. Ich glaube, wenn einem das Wichtigste im Leben genommen wird, kann es einem nicht gut gehen. Ich habe damals manchmal heimlich auf dem Land gespielt. Während der zwei Monate in San José habe ich hart trainiert. Es fehlen jetzt nur noch einige Pitchertechniken.

Sind Sie in Gedanken noch häufig in Kuba?

Im Moment denke ich nur an Baseball. Es war ja der Baseball, der mich nach Costa Rica gebracht hat. Ich wollte nie weg aus Kuba, ich wollte nur in den Major Leagues spielen, auf legalem Weg. Doch die Regierung ließ mich nicht. Als ich suspendiert wurde, fing ich an, an eine Ausreise zu denken.

Stört es Sie, in den Augen der Genossen ein Verräter zu sein?

Nein, überhaupt nicht. Von offizieller Seite wurde ich ja schon vor meiner Flucht als Verräter behandelt. Ich glaube, die, die mich Verräter nennen, sind selbst die größten Verräter. Eine Regierung, die das Volk unterdrückt und es nicht als Menschen leben läßt, ist der Verräter.

Jetzt stehen Sie beim „Klassenfeind“ unter Vertrag.

So sehe ich das nicht. Die Regierung in Kuba macht den Fehler, den Sport mit der Politik zu vermischen. Ich habe das nie getan. Als wir vor meiner Sperre außerhalb Kubas gespielt haben, hatten wir immer sehr gute Kontakte zu allen Mannschaften, speziell zu den amerikanischen.

Wieviel haben Sie in Kuba als Baseballspieler verdient?

Etwa acht Dollar im Monat.

Und nun sind es 6,6 Millionen für vier Jahre.

Natürlich hatte ich noch nie so viel Geld. Es gibt mir Sicherheit. Ich werde mir bestimmt ein Auto kaufen. Ich weiß noch nicht, was für eins. Ich kenne ja nur Marken wie Moskwitsch und Lada. Doch ändern wird mich das Geld nicht. Ich denke auch nicht an das Geld. Ich denke nur an Baseball. Denn Baseball ist für mich Leben, der Sohn, den ich nie hatte.

Haben Sie Angst, daß jetzt Leute Ihre Nähe suchen könnten wegen des Geldes?

Man muß sich die Freunde gut aussuchen und wissen, wem man die Arme und die Tür aufmacht.

Wollten Sie schon immer bei den Yankees spielen?

Schon als Kind liebte ich diese Mannschaft. Ich danke Gott, daß er mir den Weg dahin geebnet hat.

Ist der Erwartungsdruck nicht sehr groß?

Man steht immer irgendwie unter Druck. Das war auch in Kuba so, als ich in der Nationalmannschaft gespielt habe. In allen Ländern wird viel von der Nationalmannschaft erwartet.

Haben Sie Angst vor dem Leben in den USA?

Nein, ich glaube ungefähr zu wissen, was mich erwartet, obwohl es auch viele Sachen gibt, die ich nicht kenne. Englisch zum Beispiel verstehe ich zwar gut, aber sprechen kann ich nur wenig. Und dann muß ich lernen, in den Vereinigten Staaten zu leben. Ich habe zwar eine Vorstellung davon, doch mir fehlt die Praxis.

Können Sie sich vorstellen, irgendwann wieder in Kuba zu spielen?

Im Moment nicht. Bei einem Regierungswechsel würde ich gerne in Kuba spielen, obwohl ich weiß, daß alle Kubaner in die Staaten zum Spielen gehen würden.

Wie sehen Sie die Zukunft Kubas?

Ich weiß nicht. Die Zukunft liegt beim kubanischen Volk und ich will sie ihm nicht aus den Händen nehmen. Interview: Barbara Bollwahn