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Parteibasis watscht die grüne Prominenz

■ Hinter Marieluise Beck kandidiert der 18jährige Till Stenzel für den Bundestag

Die Bremer Bündnisgrünen ziehen mit der Spitzenfrau Marieluise Beck als Nummer eins der Landesliste in den Bundestagswahlkampf. Während die Nominierung der Bundestagsabgeordneten bei der Landesmitgliederversammlung am Samstag unumstritten war, gab es um den zweiten Listenplatz einen Dreikampf: Der 18jährige Till Stenzel setzte sich durch. Der vom Landesvorstand unterstützte Abi-turient erhielt 56 Stimmen, die Bürgerschaftsabgeordneten Klaus Möhle und Manfred Schramm mußten sich mit 24 bzw. 20 Stimmen begnügen.

Vergeblich hatte der Fraktionssprecher in der Bürgerschaft, Dieter Mützelburg, die Basis aufgefordert, Stenzel nicht zu nominieren. Es biete keine politische Perspektive, wenn Stenzel, wie dieser angekündigt hatte, nur eine Legislaturperiode im Parlament bleiben und dann ein Studium aufnehmen wolle. Mützelburg war der einzige aus der Fraktion, der sich in der Kandidatenfrage zu Wort meldete.

Ein Redner wies auf die Bedeutung des zweiten Listenplatzes hin: Es sei denkbar, daß die profilierte Arbeitsmarktpolitikerin Beck im Falle einer rot-grünen Regierung etwa Staatssekretärin im Arbeitsministerium werden könnte: „Und bumms wär er drin“. Die Mehrheit der Grünen-Mitglieder (gekommen waren gut 100 von 560) traut dem 18jährigen diese Rolle zu.

Das lag auch daran, daß Schramm und Möhle in ihren Reden nicht nachweisen konnten, warum die Partei zu ihren Gunsten auf das jugendpolitische Symbol verzichten sollte. Die beiden hätten „zu viele leere Worthülsen abgesondert“, faßte ein Mitglied ihren Eindruck zusammen, den offenbar eine Mehrheit der Versammlung teilte. Der Vertreter der Grünen Jugendinitiative heimste dagegen für seine Vorstellungsrede kräftigen Beifall ein: Er sei nicht Spielball irgendwelcher Gruppen, sagte der Abiturient. „Ich will Schluß machen mit der Arroganz und Ignoranz, mit der die Probleme meiner Generation übergangen werden“. Darum wolle er sich den Zukunftsfragen Energiepolitik und Hochschulpolitik widmen.

Während Klaus Möhle schon vor einigen Tagen seine Kandidatur angekündigt hatte (siehe taz vom 18.3.), bewarb sich Schramm kurzfristig. Zuvor war der Wirtschafts- und Hafenpolitiker aus Bremerhaven in einer äußerst knappen Kampfabstimmung gegen die wenig bekannte Bremen-Norderin Marlies Weidenfeller zum Direktkandidaten für den Bundestagswahlkreis 52 (Bremen-Nord und Bremerhaven) gewählt worden. Direktkandidatinnen für die beiden Bremer Wahlkreise sind Marieluise Beck und Helga Trüpel, die zudem auf Platz drei der Landesliste gewählt wurde.

Neben der Kandidatenkür stand auch das Thema Bosnien auf der Tagesordnung. Mit überwältigender Mehrheit unterstützten die Mitglieder nach kontroverser Debatte einen Antrag des Landesvorstandes, der die Bundestagsfraktion auffordert, der Verlängerung des Mandats der SFOR-Truppen zuzustimmen. Damit setzten die Bremer einen Kontrapunkt zum grünen Bundesparteitag in Magdeburg, der friedenserzwingende Militäreinsätze mit einer Stimme Mehrheit abgelehnt hatte.

Die Bundestagskandidatin Beck forderte die Partei auf, „nach dem PR-Desaster“um den Fünf-Mark -Benzinpreis, die „Ärmel hochzu-krempeln und mit möglichst vielen Menschen das Gespräch suchen“. Die Grünen müßten dabei deutlich machen, daß sie es ernst nehmen mit der ökologischen Frage. „Wir brauchen nicht in die Regierung zu gehen mit der Botschaft: ,Ändern wird sich aber nichts'.“ Joachim Joachim Fahrun

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