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Wählen gehen zur Selbstbestätigung

Mit den auch im albanischen Lager umstrittenen Untergrundwahlen im Kosovo für Parlament und Präsident versucht die kosovo-albanische Führung, sich eine gestärkte Verhandlungsposition zu verschaffen  ■ Aus Priština Erich Rathfelder

Schon am frühen Morgen drängeln sich die Menschen im Wahllokal sieben der Zone drei in Priština. In dem Privatgebäude sind in einem Raum die Urnen mit den Wahlkabinen aufgestellt, in dem anderen werden die Wahlzettel verteilt. Nichts ist auffällig, nichts ungewöhnlich. Nicht einmal die serbische Polizei taucht hier auf.

Anderswo, in Mitrovica und Kamenica wurden Wahllokale von serbischen Polizisten geschlossen. Die Wahlen der Albaner im Kosovo an diesem Sonntag sind keine normalen Wahlen. Sie sind Wahlen im Ausnahmezustand, Wahlen für ein Parlament und für einen Präsidenten, die es nach der serbischen Verfassung in dieser Form nicht geben dürfte. Auch im Ausland wird die Prozedur beobachtet, die Ergebnisse werden akzeptiert, die Vertretung des Kosovo ist jedoch außer von Albanien nicht diplomatisch anerkannt.

Es sind nur die Albaner, die wählen gehen

Doch für die Menschen, die sich in den engen Räumen drängeln, sind diese Wahlen die einzig legitimen. An den Wahlen des serbischen Staates oder der Jugoslawischen Föderation nehmen sie nicht teil. Daß diese Wahlen abgehalten werden, ist somit ein politisches Votum der Albaner im Kosovo für sich selbst.

Schon um 10 Uhr haben mehr als 50 Prozent der 1.300 Wahlberechtigten des Wahlbezirks abgestimmt. Sorgfältig werden die Ausweise mit den vorhandenen Wahllisten verglichen und dann die zweisprachigen Wahlzettel ausgegeben.

Es sind ausschließlich Albaner, die hier an die Urnen gehen. Ist das nicht ein Problem? Soll nicht die gesamte Bevölkerung repräsentiert werden, auch die Minderheiten der Roma, der Türken und der Serben? Für die Minderheiten seien 30 Sitze im Parlament reserviert, antwortet der Wahlleiter. Jeder könne an den Wahlen teilnehmen – genauer: jeder, der sich auf die Wählerlisten hat eintragen lassen, die durch Hausbesuche erstellt worden sind. „Die sieben serbischen Familien hier im Sprengel haben sich nicht eintragen lassen, auch viele türkischstämmige Familien, viele Roma und Bosniaken nicht.“

Das Gros der Volksgruppenvertreter, so war schon Tage zuvor in Priština zu erfahren, hält sich zurück. Sie möchten nicht zwischen der albanischen Bevölkerungsmehrheit und den serbischen Machthabern zerrieben werden.

„Heute wollen wir aber zeigen, daß unser Präsident für uns Albaner sprechen kann“, sagt ein Wähler namens Doli und bekommt dafür den Zuspruch der Umstehenden. Daß der Präsidentschaftskandidat Rugova über keinen Gegenkandidaten verfügt, stört ihn nicht. „Es geht auch gar nicht um die Person, die uns vertritt. Es geht darum, daß wir unserer Vertretung den Rücken stärken“, erklärt er.

Für das Parlament treten mehrere Parteien an, so die Christdemokraten des Kosovo, die Republikanische Partei, die Türkische Volkspartei als einzige Vertreterin anderer Volksgruppen, und die Nationaldemokratische Partei. Doch den Sieg erringen wird die Demokratische Liga des Kosovo, die 1992 bei den letzten Untergrundwahlen 96 der 100 Direktmandate erringen konnte. Und ihr wird der Sieg leichtfallen, weil die wichtigste Oppositionsgruppe, die Parlamentspartei von Adem Demaqi, die Wahlen ebenso boykottiert wie Vertreter der Intellektuellen und der Studenten.

Auch am Wahltag wird wieder geschossen

Neue Schüsse lassen Unruhe aufkommen im Wahllokal. Das Gerücht geht um, auch in Priština habe die serbische Polizei Wahlurnen beschlagnahmt. Jetzt haben die Menschen die Befürchtung, daß die gesamte Wahl scheitert. Das Hupkonzert eines serbischen Autokonvois wird mit Achselzucken hingenommen. „Sie wollen unsere Wahlen nicht akzeptieren, sie sprechen von Wahlfälschungen“, schmunzelt Behxhet Ismaili. „Dabei haben sie selbst Wahlzettel gefälscht.“ Die Serben hätten sich aber selbst verraten, weil sie die als Beweis präsentierten Wahlzettel der Stadt Gjakove mit der serbischen Schreibweise Djakove versehen hätten.

Die Nachricht, daß am Vormittag das Dorf Lausha in der von Sicherheitskräften eingekesselten Region Drenica wieder beschossen wurde, läßt die Umstehenden verstummen. Schweigend verlassen die Menschen das Wahllokal und hoffen, daß es am Abend nicht zu weiteren Vorfällen kommen wird.

Die Aussichten dafür sind nicht gut. Aber immerhin, so Mahmut Bakalli, der ehemalige kommunistische Parteiführer des Kosovo, der die Verfassung von 1974 und damit das 1989 wieder abgeschaffte Autonomiestatut mitschuf, werde mit den Wahlen demonstriert, daß die kosovo-albanische Bevölkerung ihren Vertretern für zukünftige Verhandlungen den Rücken stärken will.

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