■ Die Anderen: "Tages-Anzeiger" zur frz. Wahl / "Liberation" und "Figaro" zu Waigels Forderung, die Euro-Länder müßten weiter ihre Defizite verringern
Der Züricher „Tages-Anzeiger“ kommentierte am Montag die Wahlhilfe Le Pens für die französischen Konservativen: Der Versuch, mit Unterstützung der Frontisten bürgerliche Mehrheiten zu retten, wird sich deshalb als untauglich herausstellen, weil er auf einer falschen Taktik beruht. Der republikanischen Rechten geht's schlecht. Sie hat weder eine klare Orientierung noch überzeugende Leitfiguren. Der Front dagegen ist dynamisch, kämpferisch, gut organisiert. Er wird von der Nachfrage nach ihm profitieren – nicht umgekehrt. Die große Mehrheit der bürgerlichen Wähler hat mit den Rechtsextremen nichts am Hut. Geben diese in ihren Reihen mehr und mehr den Ton an, wird das strategische Ziel des Front, an die Stelle der klassischen Rechten zu treten, näherrücken. Keine erbauende Aussicht in einem Europa, das Nationalismus überwinden will und dessen Länder sich näher zusammenschließen wollen.
Zu der Forderung von Bundesfinanzminister Theo Waigel, die Euro-Länder müßten weiter ihre Defizite verringern, heißt es in der Pariser Zeitung „Libération“: Wo stoppt Deutschland? Nachdem es seinen Partnern den „Stabilitätspakt“ aufgezwungen hat, der auf Dauer die Budgets der Länder einschnürt, die zum Euroland gehören, hat Theo Waigel, der deutsche Finanzminister, dem beim informellen Treffen der Wirtschafts- und Finanzminister am Freitag und Samstag in York noch einen Schlag hinzugefügt. Er hat tatsächlich gefordert, daß die Fünfzehn sich formell verpflichten, die Früchte des wiedergewonnenen Wachstums zur Verringerung der staatlichen Schulden und nicht zur Finanzierung zusätzlicher Ausgaben zu nutzen. Kurz, Theo Waigel hat das Bild eines arroganten und egoistischen Deutschlands geliefert, das nur widerwillig bei der einheitlichen Währung mitmacht. Die deutschen Wahlen nahen, und der Bayer, CSU-Chef, der der Finanzminister ist, möchte seiner Wählerschaft Beweise für seine entschlossene Härte geben. Aber das Schlimmste wäre es, wenn
es ihm gelänge, dies seinen Euro-Partnern aufzuzwingen.
Zu Waigels Forderungen schreibt „Le Figaro“:
Theo Waigel hat an diesem Wochenende seinen Wahlkampf begonnen. Sechs Monate vor den Parlamentswahlen vom 27. September hat der deutsche Finanzminister eine doppelte Offensive gestartet, die seiner Wählerschaft gefallen dürfte, die aber seinen europäischen Partnern erhebliches Kopfzerbrechen bereitet: Bonn empfiehlt den Ländern, die sich direkt an der einheitlichen Währung beteiligen, die Zwangsjacke des „Stabilitätspaktes“ sechs Monate früher anzulegen, und fordert eine Verringerung seines Netto- Beitrages zum gemeinschaftlichen Budget. Sonst droht es, die Reformen zu blockieren, von denen die Erweiterung der Union nach Osten abhängt.
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