: Aufregung um Abtreibungsverbot
■ Ein ungarisches Gericht untersagt einem 13jährigen Mädchen einen Schwangerschaftsabbruch. Der Anwalt legt Berufung ein
Bukarest (taz) – Der Fall eines 13jährigen Mädchens, dem Ende letzter Woche die Abtreibung gerichtlich verboten worden war, hat in Ungarn für große öffentliche Aufregung gesorgt. Mitglieder der sozialistisch-liberalen Regierungskoalition bezeichneten die Gerichtsentscheidung am Wochenende als „unverständlich“, „gnadenlos“ und „empörend“. Sie planen rechtliche Schritte gegen Ärzte, die in den Fall verwickelt sind, gegen die Vormundschaftsbehörde sowie gegen Abtreibungsgegner, die zum „Alptraum des Mädchens“ beigetragen hätten.
Am Freitag hatte ein Gericht in der südungarischen Stadt Baja entschieden, daß die dreizehnjährige Katalin P., die in der elften Woche schwanger ist, nicht abtreiben darf. Zur Begründung sagten die Richter, daß „der Schutz des ungeborenen Lebens höher stehe als das Selbstbestimmungsrecht der Mutter“. Der Fall war vor Gericht gekommen, nachdem Katalin P. bereits eine Genehmigung zur Abtreibung erwirkt hatte und zur Abtreibung im Krankenhaus von Baja erschienen war. Der zuständige Arzt hatte sich jedoch geweigert, die Abtreibung vorzunehmen. Zugleich hatte der Priester einer lokalen Gemeinde unter Verletzung des Beichtgeheimnisses die Familie von Katalin P. dazu aufgefordert, die Abtreibung nicht vornehmen zu lassen. Abtreibungsgegner und Katholiken hatten die „gerichtliche Vertretung des Fötus“ übernommen und der Familie des Mädchens finanzielle Hilfe und eine spätere Unterstützung für das Kind angeboten. Der Fall ist bisher einmalig in der ungarischen Rechtsgeschichte.
Inzwischen hat der Anwalt des Mädchens Berufung gegen das Gerichtsurteil eingelegt und darauf gedrängt, daß der Fall schnell entschieden wird, weil nur noch sieben Wochen zur Abtreibung blieben. Zur Begründung berief er sich auf ein Urteil des ungarischen Verfassunggerichts von 1991, das – entgegen dem Richterspruch – das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Leben und die menschliche Würde über den Schutz des ungeborenen Kindes stellt. Das Verfassungsgericht hatte in dem betreffenden Urteil außerdem festgestellt, daß ein ungeborenes Kind keine Rechtsperson ist. Der ungarische Sozialminister Mihaly Kökeny will seinerseits Disziplinarverfahren gegen den Direktor des Krankenhauses in Baja sowie gegen die örtliche Vormundschaftsbehörde einleiten. Das Krankenhaus und die Vormundschaftsbehörde hätten die Abtreibung vornehmen müssen, obwohl der Prozeß bereits im Gange gewesen sei.
Der südungarische katholische Bischof Endre Gyulay verteidigte die Gerichtsentscheidung sowie den Priester und Mitarbeiter der lokalen katholischen Kirche, die sich in den Fall eingeschaltet hatten. Auch die oppositionelle Christlich-Demokratische Volkspartei begrüßte das Urteil. Gegen den Vater des Kindes von Katalin P., einen 24jährigen Mann, wird derzeit wegen sexueller Beziehung zu einer Minderjährigen ermittelt. Keno Verseck
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