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Zeichensprache Von Carola Rönneburg

Wenn man morgens zwischen sich und seinem Bürostuhl Reißzwecken findet, wenn der Kaffee mit Abführmittel versetzt und die Post verschwunden ist, dann ist das möglicherweise ein Zeichen. Kein hundertprozentiges natürlich, aber derartige Vorfälle könnten schon bedeuten, daß man in der Firma gerade nicht so richtig beliebt ist.

Auch Jürgen Fliege, der Mitte dieses Monats fast zum James Dean der TVangelists geworden wäre, hat nach eigenen Angaben „Zeichen vernommen“. Schon einige Wochen bevor eine rasende Sopranistin ihn und sich mit 150 Sachen an einen Baum setzte, habe er gewußt, „daß da etwas passiert“, sagte Fliege der Nachrichtenagentur dpa. Seine Frau habe ihn nämlich „häufiger gewarnt, ich solle den Gurt anlegen. Ich wußte, daß ich gefährdet bin.“

Fliege ignorierte die mahnenden Worte und landete im Krankenhaus – mit Schwindelgefühlen, Kopfschmerzen, einem „Gefühl der Dankbarkeit“ und der Gewißheit, jeder Lebenslage gewachsen zu sein: „Ich habe so viele Talkshows moderiert, da lernt man auch solche Dinge, wie man sich in Notfällen verhält.“

Das ist wirklich interessant. Warum hat Fliege dann aber seine Fernseherfahrungen nicht schon vor dem Unfall angewendet und die Fahrerin zu einem mäßigen Tempo angehalten? In seiner Eigenschaft als menschliche Mogelpackung bremst er schließlich wie kein zweiter regelmäßig seine Gesprächspartner aus. Die junge Frau hat ein Problem, weil sie lesbisch ist, aber weiterhin eine gute Gläubige sein will? Kein Problem für Fliege: „Sie haben also ein Probleeem“, sonort Fliege, verständnisvoll das Haupt neigend – „weil Sie sich zu Frauen hingezogen fühlen, das aber nicht mit Ihrem Glauben vereinbaren können.“

Sein Gegenüber lächelt dankbar. „Sie denken, daß Ihr Glaube und Ihre Zuneigung zu Frauen nicht zusammengehen“ – und so weiter in der Endlosschleife, bis die Lösung des Konflikts nahezu blitzartig in den Fernsehpfarrer fährt bzw. in Leuchtbuchstaben auf der Studiowand erscheint: Es ist okay! Denn die Bibel hat ja auch ein paar Schwachstellen, erinnert Fliege. Er erhebt sich, breitet die Arme aus und schreitet auf sein Studiopublikum zu. Die Bibel heiße immerhin auch die Sklaverei gut, und das machen wir ja heute auch nicht mehr! Applaus, Applaus!

Und dann bloß schnell fort von der Lesbe, hin zum nächsten Gast, einem eigentümlichen Siebenjährigen, der nach den Hausaufgaben professionell und gegen gutes Geld sein Spielzeug verleiht. Hier kann sich Fliege zwischendurch mal ganz unkonventionell auf den Fußboden setzen.

Selbst wir Heidenkinder müssen anerkennen, daß es da vielleicht doch einen gibt, der das nicht mehr sehen will. Der wochenlang und geduldig Zeichen des Himmels schickte, bis ihm nichts anderes übrigblieb, als eins zu setzen: Nicht umsonst landete der Prediger bei seinem Sportwagenflug auf dem Kopf.

Jürgen Fliege hat nun angekündigt, sein Leben ändern zu wollen. „Ich werde prüfen, ob ich jedes soziale Engagement, zu dem ich reise, wirklich wahrnehmen muß“, sagte er und fügte hinzu: „Ich bin dem Vater der Welt sehr dankbar.“ Ansonsten will er von heute an wieder vor der Kamera stehen.

Passen Sie gut auf sich auf.

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