: 2,19 Milliarden für Waigl Von Barbara Häusler
Alle jammern über leere Kassen, am lautesten die sogenannte öffentliche Hand. Dabei muß man sich nur mal deren Steuersystem anschauen: Mehrwert, Einkommen, Hunde – an alles denken sie, nur an das Nächstliegende nicht. An Gardinen zum Beispiel.
Gardinen gehören zu denjenigen Gegenständen, die erwiesenermaßen kein Mensch braucht, die aber vielen schaden. Denn Gardinen – jedenfalls die Art, die ca. 65 Prozent der Bevölkerung präferiert – sind 1.) nutzlos und beschädigen 2.) den öffentlichen Raum. Das Hauptargument der Gardinenverfechter heißt: Blickdichte – was schon ein einziger Spaziergang in der Dämmerung sofort widerlegt. Ihr Zweitargument lautet: Wärme. Das ist symbolisch gemeint, und der Gardinenverfechter will damit sagen, eine Gardine verbreite Wärme im Raum und ohne Gardine sei ein Raum kalt. Mal abgesehen von diesem wenig überzeugenden Zirkelschluß, könnte einem das ja egal sein. Ist es aber nicht. Denn die Gardine trennt eine solchermaßen womöglich überhitzte Privatheit vom öffentlichen Raum. Auf diese Weise kommen auch die restlichen 35 Prozent zu Gardinen. Ohne jegliches Wärmebedürfnis oder eine Einspruchsmöglichkeit. Und das ist ungerecht. Die Einführung einer Gardinensteuer nun würde diese Ungerechtigkeit deutlich mildern – und Millionen bringen. Erstaunlich, daß da noch keiner früher drauf gekommen ist!
Das Modell: Den höchsten Gardinensteuersatz, 5 Mark pro Fenster und Monat (pFuM), zahlen Ämter und Behörden. Begründung: Sie haben mehr Fensterflächen als Privathaushalte, außerdem erwartet/braucht man hier Wärme oder Blickdichte am allerwenigsten. Ihre Gardinen stiften also nur Verwirrung, wodurch der öffentliche Raum und das Gemeinwohl nachhaltig beschädigt werden. Unter vorläufiger Nichtberücksichtigung der dort gern wahllos aufgestellten Topfpflanzen (auch ihre Besteuerung gäbe ein schönes Geld!), kämen nach der Rechnung: 5.000 Ämter und Behörden x ca. 100 Fenster x 5 Mark/pFuM x12 jährlich 30 Millionen Mark zusammen – ein vermutlich recht ordentlicher Batzen der Last entfiele dabei auf die Institutionen der neuen Bundesländer, in denen Gardinen schließlich noch immer als Garant einer „humanistischen“ Atmosphäre gelten.
Die Gardinensteuern für Privathaushalte bedürfen einer stärkeren Differenzierung. Als Faustregel gilt: Besteuert wird alles, was nicht glatt fällt und wirklich blickdicht ist. Also alle üblichen Gardinenstoffe und alles mit Goldkante (1 Mark/pFuM). Einen Steueraufschlag von 50 Pfennig/pFuM erhalten in sich gemusterte und sog. Dreiviertel-Stores sowie Häkelgardinen. Je 2 Mark/pFuM müssen für komplizierte Mehrfachraffsysteme erhoben werden – Akkuratesse ist eben immer etwas teurer. 24 Millionen betroffene Privathaushalte à durchschnittlich 5 Fenster und 1,50 Mark/pFuM bringen so 2,16 Milliarden Mark – das 70fache der behördlichen Gardinen!
Sinnvoll sind Kleinststeuern deshalb noch für viele andere Dinge-ohne-Not: Beschallung öffentlicher Räume, beschriftete Kleidungsstücke, Kunst am Bau, Wurst mit Käsegeschmack, Stereoanlagen von Männern unter 45, Wörter wie „Hallöchen“ oder „Tschaui“, Blautannen... Kann auf Verlangen fortgesetzt werden.
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