: „HAB und ihre Lieben möge nie ein Leid betrüben“
■ Hamburger Arbeit feiert Richtfest, lobt sich und versucht, ihren Ruf zu retten
Vor dem Rohbau formierten sich Männer im Sakko wie Groupies am Bühnenrand vor dem Auftritt ihrer Lieblingsband. „Hoch! Hoch! Hoch!“schrien Detlef Scheele, Geschäftsführer der „Hamburger Arbeit (HAB)“, sein Vorgänger Uwe Riez und Sozialbehörden-Staatsrat Peter Lippert im Chor mit Handwerkern und ZuschauerInnen. Hoch die städtische Beschäftigungsgesellschaft; hoch die Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales, und ein Hoch auf das gemeinsame neue Projekt, eine Arbeitsstätte für 100 SozialhilfeempfängerInnen am Rand von Mümmelmannsberg.
Im Herbst kommenden Jahres soll das Gebäude an der Grenze zu Bergedorf fertig sein. Der Richtkranz, der seit gestern auf dem Dachstuhl baumelt, wird dann Schindeln weichen, und wer in den oberen Stockwerken aus dem Fenster guckt, wird auf den Boberger Baggersee blicken. Auf der anderen Seite des Hauses liegt die Siedlung Mümmelmannsberg wie ein amputierter Körperteil der Stadt mitten im Grünen.
Hier wohnen die potentiellen Beschäftigten der neuen HAB-Filiale. „Wir erwarten, daß viele aus dem Stadtteil herkommen“, erklärte Sprecherin Heike Baumann. Der Anteil der SozialhilfeempfängerInnen und Arbeitslosen ist hoch in Mümmelmannsberg; bei der HAB können sie bis zu drei Jahren für Tariflohn arbeiten.
2,7 Millionen Mark hat die Stadt in die neue Betriebsstätte gesteckt. Im Herbst 1999 soll das Gebäude fertig sein. Was genau darin entsteht, ist allerdings unklar. Eine Tischlerwerkstatt vielleicht, oder eine Schneiderei. Die Entscheidung fällt erst, wenn sich ein Herzenswunsch von Geschäftsführer Scheele erfüllt hat, über den er während der Koalitionsverhandlungen schon mit SPD und Grünen sprach: Die beiden städtischen Beschäftigungsgesellschaften Hamburg West und HAB sollen zu einer verschmelzen. Rund 2000 Menschen könnte das neue Unternehmen dann beschäftigen.
Der Rohbau in Mümmelmannsberg erfüllt schon jetzt eine wichtige Funktion: Er soll den angeknacksten Ruf der „Hamburger Arbeit“wieder richten. Die Filz-Vorwürfe gegen Ex-Geschäftsführer Riez würden „geprüft“, versprach BAGS-Staatsrat Lippert. Schon jetzt stehe jedoch fest: „Die Hamburger Arbeit ist professionell und wirtschaftlich organisiert“, lobte er den HAB-Geschäftsführer Scheele. Der wiederum lobte seinen Vorgänger Uwe Riez, auf dessen „Initiative das alles hier zurückgeht“.
Beide, Riez und Scheele, gehören zur SPD Nord. Wegen Filz und Mauscheleien in dem Bezirk und in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) will die CDU-Bürgerschaftsfraktion einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuß (PUA) einsetzen (siehe Text oben). Der ehemalige HAB-Chef Uwe Riez soll sich 1994 aus der Gesellschaft verabschiedet und ein Millionendefizit hinterlassen haben.
„Erstunken und erlogen ist das alles“, schimpfte der jetzige Senatsdirektor der Sozialbehörde gestern. Und auch Scheele hat keine Angst vor dem PUA: „Jeder Jahresabschluß von Herrn Riez ist testiert.“Doch „ein bißchen lästig“seien die Anwürfe und die krittelnden JournalistInnen schon, gab Riez zu. Da halfen auch die guten Wünsche nichts, die ein Zimmermann beim gestrigen Richtfest verkündete: „Die HAB und ihre Lieben möge nie ein Leid betrüben.“
Judith Weber
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