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Die VorschauRosarotes Unterseeboot

■ Klaus Beyer, der bessere Guildo Horn, flötet am Samstag aufs Liebste im Silke-Arp-Bricht-Club in Hannover

Etwas ist an ihr so fein. Sie fasziniert mich wie sonst niemand. Etwas gibt sie mir zum Frohsein. Ich glaube, ich verlaß sie nie. Denn ich denk genau wie sie.

Diese empfindsamen Zeilen könnten aus Ihrem ersten Liebesgedicht entnommen sein, aus einer taz-Rezension eines Buttgereit-Trash-Horror-Movies stammen oder aus dem Wahlprogramm von Schlingensiefs Parteipersiflage „Die letzte Chance“. Tun sie nicht, tun sie nicht. Die Beatles sind's, genauer, eine Übersetzung des Songs „Something“. Und die stammt von Klaus Beyer. Der wiederum ist ein Underground-Kultstar. Er hat zwar nichts zu tun mit Ihrer ersten Liebe, tritt aber schon Mal neben Schlingensief bei der Berliner Volksbühne auf oder wird mit Jörg Buttgereit zu Independentfilmfestivals eingeladen, aber eigentlich nur aus Versehen.

Die Nähe zur hartgesottenen Avantgardeszene hat er nicht gesucht. Im Gegenteil, er wußte nicht einmal von deren Existenz. Die Szene war es, die ihn erwählte: Der abtrünnig gewordene Bee-Gees-Fan übersetzte seine neuen Lieblinge, die Beatles, für die fremdsprachenunbeholfene Mama ins Deutsche. Insgesamt 100 Songs. Aus „Norwegian wood“wurde „Alles aus Holz“, aus „Black bird“„Amsel“und aus „Oh Darling“„Oh Darling“. Im Zeitalter ausgefeilter Karaoke-High-tech steht der kleine, zarte Klaus Beyer schüchtern und verloren auf den Bühnen der Kellerclubs, schaltet sein rudimentäres, knarziges Bandgerät an, singt mit zaghafter Knabenchorstimme, aber überbordendem Gefühl und pendelt den sanft rückgratgekrümmten Körper innig-taumelnd aus. Übrigens schon lange vor dem Schlagerrevival.

Ja und, meint jeder, dem man davon erzählt. Grandios, schwärmen die allermeisten, die Beyer erlebt haben. Wie das, kann man sich da fragen.

Klaus Beyer ist nicht schön, kein Mathematikgenie, kein zahnfleischblanklegendes Lachen. 29 Jahre malochte er in einer Kerzenfabrik in Berlin, dann im ostfriesischen Aurich, bis er gekündigt wurde. Kein Winnertyp – genau wie wir, wenn das Bürojacket abgelegt ist. Während die Spicegirls noch den Dreck unter ihren Fingernägeln showgerecht designen, zeigt Klaus Beyer ganz unbescheiden die real existierende Bescheidenheit des Menschen. So was ist anrührend. Es ist kaum etwas Liebenswerteres vorstellbar als Beyers Super-8-Kurzfilme: Beyer, singend, dahinter Mamas Couch mit Stofftieren, dahinter eine Blumentapete, dahinter rosarotes Gefühl. Alles so, als hätte es da einer geschafft, sich aus den Beschleunigungsmechanismen der Popkultur auszuklinken, ach was, als wäre er niemals eingeklinkt gewesen.

Deshalb hat das mit den ironischen, selbstreferenziellen, postmodern-zitierenden Inszenierungen des Schlagerrevivals nichts zu tun; deshalb ist Beyer der bessere Dieter Thomas Kuhn und taucht wie das yellow submarine weg aus der herrschenden Kultur. In Hannover stellt Klaus Beyer am Samstag seine neue Single vor. bk

Samstag, 20 Uhr, Silke-Arp-Bricht-Club, Königsworther Straße 20, Hannover

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